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Politik

Der Tod der alten Tante SPD?

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Felix Steiner
20. Februar 2018

Ist dies das Ende der Volkspartei SPD? Erstmals sind die Sozialdemokraten bundesweit hinter die AfD zurückgefallen. Das deutsche Parteiensystem wandelt sich gerade. Und das hat dramatische Folgen, meint Felix Steiner.

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Bonn SPD Parteitag Koalitionsverhandlungen
Bild: picture-alliance/dpa/K. Nietfeld

"Alte Tante" nennen Journalisten und Parteimitglieder ihre SPD schon seit Jahrzehnten liebevoll. Doch nie war dieser Begriff treffender als heute. Denn alte Tanten sind nett, haben viel von früher zu erzählen, man trinkt gerne mit ihnen Sherry oder isst ihren guten Apfelkuchen - aber sonst? Niemand nimmt sie wirklich mehr ernst, weil sie eben doch schon etwas aus der Zeit gefallen sind. Und irgendwann sind sie dann nicht mehr da.

Tradition und historische Verdienste sind keine Kategorien im politischen Geschäft. Eine Partei und ihre Kandidaten werden gewählt, weil man für die Zukunft etwas von ihnen erwartet. Weil sie klare Ziele und Führung bieten. Und weil sie die Probleme und Sorgen ihrer Wähler im Hier und Jetzt verstehen. All das lässt die SPD jedoch seit Jahren vermissen.

Wenn man die Sorgen der eigenen Wähler ignoriert

Nur ein Beispiel: Ausweislich aller Umfragen beschäftigt der Themenkreis Migration und Flüchtlinge die Deutschen immer noch mit Abstand am meisten. Die klassische SPD-Klientel, die nicht zu den Top-Verdienern im Land gehört, sorgt sich darüber hinaus um bezahlbaren Wohnraum, den es insbesondere in den Städten kaum noch gibt. Doch was macht die Partei? Erhebt den Familiennachzug von Flüchtlingen zum Kernthema der Koalitionsverhandlungen! Und so wird nachvollziehbar, warum der Niedergang der SPD ausgerechnet mit dem Aufschwung der rechten AfD einhergeht - oftmals gerade in den Wahlbezirken, in denen die SPD einmal richtig stark war.

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DW-Redakteur Felix Steiner

Das muss nicht auf Dauer so bleiben. Dass die im Wochentakt erhobenen Meinungsumfragen höchst volatile Stimmungen widerspiegeln - wer wüsste das besser als die SPD? Ist der Hype um den vermeintlichen Wundertäter Martin Schulz doch gerade erst ein Jahr her.

Aber klar ist: Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt wären ein Desaster für die SPD. Das muss auch all denen klar sein, die für ein Nein zur Großen Koalition im gerade angelaufenen SPD-Mitgliederentscheid trommeln und glauben, eine Erneuerung der Partei sei nur in der Opposition möglich. Unsinn. Die Union macht es gerade vor. Kein Mensch beabsichtigt dort, die Kanzlerschaft preiszugeben, obwohl auch hier viele gemerkt haben, dass ein blindes "Weiter so" mit der Politik von Angela Merkel keine ausreichenden Mehrheiten mehr sichert.

Erneuerung in der Regierung möglich

Aber die Berufung von Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Generalsekretärin zeigt eben auch: Diese nicht unwahrscheinliche Nachfolgerin von Angela Merkel wird gewiss keinen kompletten Kurswechsel vollziehen. Aber einige konservativere Akzente, die so viele in der Stammwählerschaft der Union seit Jahren vermissen, wird es mit ihr wieder geben.

Neuwahlen zum jetzigen Zeitpunkt würden alleine der AfD nutzen, die - so die bisherige Aussage ihre Parteispitze - ja gar nicht regieren will. Und genau hierin liegt die Dramatik der aktuellen Umfrage: Die SPD bricht dramatisch ein, die Union gewinnt nichts hinzu - nicht einmal mehr für eine neue Große Koalition würde es unter diesen Vorzeichen reichen. Das wäre indes der Treppenwitz der Weltgeschichte: Ein Land in gigantischem Wohlstand, mit einer brummenden Wirtschaft, in dem sich aber keine politische Mehrheit für eine Regierung findet.

Selbstmord aus Angst vor dem Tod?

Ein Nein zur neuen Regierung im Mitgliederentscheid der SPD käme deswegen einem Selbstmord aus Angst vor dem Tod gleich. Deswegen, liebe Genossinnen und Genossen: Habt verdammt nochmal Mut und Selbstvertrauen! Regiert mit und zeigt, was ihr könnt. Dass ihr etwas könnt, beweist ihr doch in vielen Bundesländern und Städten dieses Landes. Und steht endlich geschlossen zu euren Erfolgen - dann werden sie die Wähler auch wieder honorieren!

Schon einmal - im Frühjahr 1990 - hat sich die SPD einen historischen Fehler geleistet, als sie die Mitglieder der früheren DDR-Staatspartei SED nicht aufnehmen wollte. Unter den Folgen - in Form der Existenz der Linkspartei mit mehr als zehn Prozent der Wählerstimmen - leidet sie bis heute. Einen zweiten Fehler dieser Dimension wird die Partei nicht überleben - das wäre dann wirklich der Tod der alten Tante SPD.

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