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Deutliche Warnungen an die Ukraine

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Bernd Johann
23. Februar 2016

Deutschland und Frankreich ziehen an einem Strang: Sie fordern ein klares Bekenntnis zu Reformen in Kiew. Dort steht derzeit mehr als nur die europäische Unterstützung auf dem Spiel, meint Bernd Johann.

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Ukraine Steinmeier, Ayrault und Klimkin
Die Außenminister Ayrault (Frankreich), Klimkin (Ukraine) und Steinmeier (Deutschland) bei ihrem Treffen in Kiew (v.li.)Bild: Reuters/G. Garanich

Es ist ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn Diplomaten in aller Öffentlichkeit ihre Sorge über die Zukunft eines Landes artikulieren. Die Außenminister Deutschlands und Frankreichs haben ihrer Sorge in deutlichen Worten Luft gemacht. Frank-Walter Steinmeier und Jean-Marc Ayrault mahnten die Ukraine eindringlich zu einer Rückkehr zum Reformprozess. Zuvor hatten sie in einem gemeinsamen Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung klar gemacht, wie viel für die Ukraine derzeit auf dem Spiel steht.

In einer Pressekonferenz in Kiew riefen sie die ukrainischen Politiker dann noch einmal dazu auf, den eingeschlagenen Reformkurs fortzusetzen. Sie warnten davor, was passieren könnte, wenn dieser Prozess scheitert. Die beiden Außenminister verfolgen derzeit ebenso wie die europäische Öffentlichkeit mit Sorge, wie sich die politische Elite in der Ukraine selbst demontiert und in Streitereien versinkt. Immer näher gerät das Land so an den Rand des politischen und wirtschaftlichen Zusammenbruchs.

Bedrohungen von außen wie von innen

Noch immer ist die staatliche Souveränität der Ukraine von außen bedroht. Der Friedensprozess von Minsk tritt auf der Stelle. Trotz eines geschlossenen Waffenstillstands wird im Donbass weiter geschossen. Noch nicht einmal dieser erste Punkt der dreizehn Ziele umfassenden Minsker Vereinbarungen ist wirklich umgesetzt. Dabei gibt es keine Alternative zu Minsk. Der Vertrag ist derzeit der einzige erkennbare politische Ausweg aus dem Krieg, den die Ukraine nicht gewinnen kann, solange Russland die Separatisten im Donbass militärisch unterstützt.

Hinzu kommt die schwere innenpolitische Krise. Sie ist hausgemacht. Verantwortungslose Politiker aus dem Lager der Opposition ebenso wie aus den Regierungsfraktionen haben ihr Land in neues Chaos gestürzt. Politisch ist die Ukraine dadurch praktisch unregierbar. Und auch auf internationaler Bühne taugt sie derzeit kaum als Partner.

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Bernd Johann leitet die Ukrainische Redaktion der DW

Nach wie vor wird die Politik in der Ukraine von persönlichen Machtinteressen und Strippenziehern im Hintergrund bestimmt. Diese Leute missbrauchen dabei vor allem das Parlament als Lobbyisten-Bude. Dazu gehören auch die reichen Oligarchen, die im Verbund mit der Politik schon seit Jahren das Land dominieren und ähnlich wie in Russland für sich nahezu rechtsfreie Räume durchgesetzt haben. Zugleich versuchen Nationalisten und andere rechte Kräfte die ukrainische Politik mit undemokratischen Mitteln und intoleranten Ideologien auf einen Sonderweg in Europa zu bringen, der sie isolieren würde.

Reformen brauche stabile Mehrheiten

Durch die Krise sind der amtierende Ministerpräsident Arseni Jazenjuk und auch Präsident Petro Poroschenko schwer beschädigt worden. Und doch sind auch sie es, die weiter die Verantwortung bei der Suche nach einem politischen Ausweg übernehmen müssen. Eine Fortsetzung der Reformen wird es nur geben, wenn sich wieder stabile Mehrheiten finden.

Das Land hat keine Zeit für Neuwahlen. Sie werden diskutiert, weil einige Politiker hoffen, dass sie davon profitieren. Politisch, wirtschaftlich und auch finanziell wären allerdings Wahlen eine Katastrophe. Die Ukraine würde über Wochen und Monate durch Wahlkampf blockiert. Geldgeber wie der Internationale Währungsfonds, die Europäische Kommission und die vielen Staaten, die die Ukraine bislang unterstützt haben, hätten gute Gründe, wenn sie ihre Finanz- und Wirtschaftshilfen für die Ukraine einstellten, solange die Phase der politischen Unsicherheit andauert.

Nur die rasche Bildung einer neuen Regierung kann Schlimmeres für die Ukraine verhindern. Frankreich und Deutschland bieten weiter ihre Unterstützung an. Zwei Tage haben sie sich Zeit genommen, um mit den Politikern in Kiew zu sprechen. Aber Handeln muss die Ukraine selbst. Geschieht das nicht, wird der Reformkurs in der Ukraine scheitern. Nur Russland und die Separatisten könnten davon profitieren.

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