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Traut euch!

14. Mai 2016

Weibliche Diakone in der Kirche? Was Papst Franziskus nun prüfen lassen möchte, wäre wahrlich keine Revolution. Die theologischen Vorarbeiten sind erfolgt. Es musste nur endlich jemand wollen, meint Christoph Strack.

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Papst Franziskus Rede Vatikan Ordensfrauen
Bild: picture-alliance/dpa/Osservatore Romano

Einen Kommentar einmal mit einem Geständnis beginnen? Drei, vier Mal im Jahr schenke ich zwei Handvoll Bücher dem schönen Antiquariat in meiner Nachbarstraße. Bei der Tour Anfang des Jahres war eine gut 400 Seiten zählende Schwarte von 1997 dabei, aus dem vorigen Jahrtausend also. Ihr Titel "Diakonat - Ein Amt für Frauen in der Kirche - Ein frauengerechtes Amt?" war damals theologisch spannend. Aber der römische Müßiggang war daran vorbeigezogen. Und - Geständnis - ich rechnete in dieser Frage nicht mehr mit Bewegung.

So kann man sich täuschen. Papst Franziskus traf am Donnerstag (13.05.2016) gut 850 Oberinnen von Frauenorden. Die Ordensfrauen sprachen ihn - sehr überlegt - auf die Frage des Diakonats der Frau an. Und? Das Kirchenoberhaupt sprach sich in freier, spontaner Rede für eine Kommission aus, die die Möglichkeiten nun einmal klären solle.

Zuerst war die Verwirrung groß. Die Ordensfrauen hatten das Kirchenoberhaupt ja nicht nur munter mit ihren Mobiltelefonen fotografiert, sondern danach auch dessen Aussage Journalisten berichtet (vermutlich wussten sie, dass das notwendig war). Der Vatikan selbst schwieg, bestätigte nichts, dementierte nichts. Bald beschäftigte das Thema Medien in aller Welt, während rechtskatholische Blogs von "angeblichen" Papst-Äußerungen schwadronierten, die zu relativieren seien.

Strack Christoph Kommentarbild App
Christoph Strack ist Kirchenexperte der DWBild: DW

Erst knapp 24 Stunden nach der Szene kam vom Vatikan als Bestätigung ein offizieller Text. "Kein Geringerer als der Papst denkt über das Diakonat der Frau nach", schreibt danach auch der Chefredakteur von "Radio Vatikan deutsch", Bernd Hagenkord - ein heißes Eisen.

Dabei wird das Thema "Diakonat der Frau" seit 60 Jahren, spätestens seit den frühen 1990er-Jahren in Deutschland theologisch sehr ernsthaft diskutiert. Erst vor wenigen Tagen sprach sich Kardinal Lehmann für ein Diakonat der Frau aus. Das 1996 gegründete "Netzwerk Diakonat der Frau" ist - selbstverständlich - in zwei Wochen beim 100. Deutschen Katholikentag in Leipzig dabei, wie bei früheren Katholikentagen auch. Seit 1998 begeht der größte katholische Frauenverband in Deutschland mit anderen Initiativen jeweils am 29. April den "Tag der Diakonin".

Mut zu Regelungen für Teilkirchen

Herausgeber des Buches, das aus meinem Bestand ins Antiquariat wanderte, sind übrigens die drei anerkannten Theologen Albert Biesinger, Marianne Heimbach-Steins und vor allem Peter Hünermann, Ehrenpräsident der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie. Viele Bischöfe schätzen ihn.

Weibliche Diakoninnen, das geht nicht? Ach was. In der frühen Kirche gab es völlig losgelöst vom Priesteramt männliche und weibliche Diakone. Das geriet dann (in einer klerikaler werdenden Kirche) in Vergessenheit. Erst das Zweite Vatikanische Konzil (1962-65) belebte diese Tradition wieder. Seitdem gibt es männliche "Ständige Diakone" im deutschen Sprachraum und vielleicht noch hier und da, aber längst nicht auf jedem Kontinent. Es ist - da war die Kirche einmal mutig - auch ein Zeichen dafür, dass sie nationalen Bischofskonferenzen bemerkenswerte Regelungen zugestehen kann, ohne auseinanderzubrechen. Also: Auf Kommission! Im Namen des Papstes an die Arbeit!

Die weltweite Aufmerksamkeit mag einfach einem anderen Moment geschuldet sein. Papst Franziskus, dieser gewiss so fromme Mann, will für Wirbel sorgen und mischt die Kirche auf. Aber: Es ist wahrlich keine Revolution zu erwarten. Denn im Umfeld der Familiensynode hat er deutlich gemacht, dass er gewiss nicht das Lehramt umstürzen will. Aber seine gelegentlichen Äußerungen in freier, spontaner Rede, sein Drängen zur Reform der Kurie, sein engagiertes Eintreten für mehr Synodalität in der Kirche (was zu gut deutsch heißt, dass der Papst und die Kirchenleitung auf den Rat anderer und vielleicht auch die Beteiligung des Kirchenvolkes setzen sollten) und und und ... Das ist in einem System, in dem frische Luft zuletzt selten war, schon nah an der Revolution. Es ist aber eben keine Revolution. Also: Traut Euch!

Vatikan Generalaudienz Papst Franziskus
Papst Franziskus ist gelegentlich für Überraschungen gutBild: picture alliance/Pacific Press/G. Ciccia

"Das kann man ändern"

Dieser Tage hat Kardinal Walter Kasper, auch schon 83 Jahre alt, gesagt, am Konklave, an der Wahl eines Papstes könnten theoretisch auch Frauen mitwirken. Die jetzigen Regelungen seien kein göttliches Recht, "das kann man ändern".

Ein weiteres Beispiel: Bis vor 100 Jahren hätten - in dieser Männerkirche - Frauen grundsätzlich Kardinal werden können. Bis dahin war keinerlei Weiheamt Voraussetzung für die Erhebung zum Kardinal (Laien unter den Kardinälen waren früher kein Einzelfall). Die Frage ist, wie viel die Kirche oder auch diejenigen, die zur Zeit in der Kirche das Sagen haben, davon vertragen.

Der Theologe Hünermann ist nun 87 Jahre alt, Kardinal Kasper 83, Lehmann wird 80 - sie alle drei kennen noch die anspruchsvolle theologische Aufbruchstimmung der Zeit nach dem Konzil, die man bei jüngeren nurmehr selten erlebt. Sie alle drei sind unumstritten katholisch, von höchster Bildung, und sie blieben in den vergangenen Jahrzehnten treu zur Kirche - und hofften doch, wer weiß. Nun kommt ein auch schon 79-Jähriger Papst von einem der Enden der Welt, um zu zeigen, was alles geht.

Heute Morgen habe ich noch einmal ins Bücherregal geschaut. Da steht noch das Bändchen "Frauenordination - Stand der Diskussion in der Katholischen Kirche" von 1996. Vorerst muss das Antiquariat nun noch ein Weilchen warten.