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Kommentar: Die Animateure der EU

Bernd Riegert, Brüssel30. Juni 2006

Die Stimmung in der Europäischen Union war Ende 2005 auf dem Tiefpunkt. Die Probleme sind zwar nach sechs Monaten österreichischer Ratspräsidentschaft nicht gelöst, aber dafür hat sich die Stimmung deutlich gebessert.

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Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft endet am 30. JuniBild: dpa

Die österreichische Ratspräsidentschaft in der Europäischen Union war erfolgreich. Wäre die EU ein Ferien-Club könnte man die Österreicher wohl als die Animateure bezeichnen, die es schafften, mit viel gutem Willen und sanftem Druck den EU-Mitgliedsstaaten wieder ein wenig gute Laune zu vermitteln. Die war auch bitter nötig nach dem schwer depressiven Jahr 2005, als erst die Verfassung scheiterte und dann der Streit mit der ineffizienten britischen Ratspräsidentschaft um die Finanzen zu einer kompletten Lähmung führte.

Bernd Riegert
Bernd Riegert

Eine Lösung für die Verfassungskrise haben auch die Österreicher nicht gefunden, aber sie konnten die Widerspenstigen unter den 25 EU-Mitgliedern zähmen und alle gemeinsam zum Bekenntnis bewegen: Jawohl, wir wollen eine Verfassung, irgendwann. Auch das war Anfang des Jahres keineswegs klar. Die Ratspräsidenten verpassten der EU einen Zeitplan für den Weg zur Verfassung, den vor allem die Deutschen und Franzosen bis 2008 auf dem rotierenden Chefsessel umsetzen müssen.

Probleme elegant vermieden

Die Österreicher haben lästige Themen oder unlösbare Probleme elegant gemieden oder verschoben. Die Fragen nach der Zukunft Europas oder den Grenzen Europas wurden am Anfang der Präsidentschaft zwar aufgeworfen, konnten aber in den vergangenen sechs Monaten nicht beantwortet werden. Nun soll bis Ende des Jahres der weitere Kurs bei der Erweiterung der EU festgelegt werden.

Zur Zufriedenheit der Balkanstaaten haben es die österreichischen Präsidenten fertig gebracht, allen Mitgliedsstaaten eine weitere Bekräftigung des Beitrittsversprechens zu entlocken. Eine Klärung der Zypern-Frage, die die Verhandlungen mit der Türkei schwer belastet, wurde den Finnen, den Nachfolgern beim EU-Vorsitz, überlassen.

Redlich bemüht hat sich der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, die positivere Stimmung aus seinem EU-Gipfel-Klub auch zu den normalen EU-Bürgern zu tragen. Mit Mozart, Kultur, Diskussionen und zahllosen Konferenzen sollte Europa transparenter gemacht werden. Ob das gelungen ist, werden künftige Meinungsumfragen zeigen.

Europa der Projekte blieb schwammig

Das Europa der Projekte, die konkreten Nutzen abwerfen sollen, wird von Schüssel und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso unablässig propagiert. Es ist aber merkwürdig schwammig geblieben. Wie eine Entschlackung und Entbürokratisierung, eine bessere Zusammenarbeit im Justiz-Bereich und mehr Arbeitsplätze erreicht werden sollen, ist auch nach sechs Monaten österreichischer Motivations-Arbeit nicht klar.

Satt und zufrieden sind übrigens die Journalisten, die über die EU berichten und vom organisatorischen Geschick der EU-Ratspräsidentschaften abhängen. Österreich war ein gelassener und zuvorkommender Gastgeber - da waren sich alle einig. "Das schaffen wir so nie", schwante es einem Pressesprecher eines deutschen Ministeriums, der zur Vorbereitung der eigenen Präsidentschaft 2007 in Wien ständig Konferenzsäle und Pressezentren inspizierte.