1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kommentar: Die eiserne Kanzlerin

1. Juli 2015

Sie hat Nein gesagt: Angela Merkel will erst nach dem Referendum in Griechenland über ein neues Hilfspaket sprechen und dann unter anderen Vorzeichen. Die Kanzlerin setzt alles auf Anfang, meint Sabine Kinkartz.

https://p.dw.com/p/1FrIP
Deutschland: Bundestagsdebatte zu Griechenland, Angela Merkel 01.07.2015 (Foto: dpa/picture alliance)
Bild: picture-alliance/dpa/W. Kumm

Für einen Moment schien es, als könne das Ruder herumgerissen werden. Es war der Moment, in dem die Nachricht durchsickerte, in Brüssel liege ein Brief des griechischen Premiers Alexis Tsipras vor, in dem er im übertragenen Sinne die Waffen strecke und ein Ja zu den Bedingungen der Gläubiger in Aussicht stelle. Es sei sogar möglich, dass er das Referendum abgesage. Dieser Moment, in dem alles wieder offen zu sein schien, war in Berlin allerdings sehr schnell wieder vorbei.

Es war Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, der auf die Bremse trat, noch vor Beginn der Bundestagsdebatte über die Lage nach dem Auslaufen der Finanzhilfen. Das zweite Hilfspaket sei abgelaufen, es existiere nichts mehr, zu dem Tsipras noch Ja sagen könne. Dann kam der Nachsatz, der gleichzeitig eine Ouvertüre zur folgenden Bundestagsdebatte wurde. Über das weitere Verfahren werde man unter sehr erschwerten Voraussetzungen reden müssen, sagte Schäuble.

Kein Kompromiss um jeden Preis

Was der christdemokratische Finanzminister, aber auch die Bundeskanzlerin darunter verstehen, macht Angela Merkel in ihrer nur zwölf Minuten dauernden Rede im Bundestag sehr klar. Von nun an gelten für sie andere Regeln als jene vor dem vergangenen Freitag. Bis dahin wurde mit Athen nicht nur immer und immer wieder über die Details eines Reformpakets verhandelt. Es wurde vor allem auch nach einem Kompromiss gesucht, der in erster Linie darauf ausgerichtet war, den Griechen so weit wie irgendwie möglich entgegenzukommen.

DW-Hauptstadtkorrespondentin Sabine Kinkartz (Foto: DW)
DW-Hauptstadtkorrespondentin Sabine KinkartzBild: DW/Stefan Eichberg

In den Augen Angela Merkels wäre es ein Kompromiss um jeden Preis gewesen, ein Ergebnis um des Ergebnisses Willen. Kompromisse seien aber nur gut, wenn die Vorteile die Nachteile überwögen. In einem anderen Fall würde sie als Bundeskanzlerin einem Kompromiss auch nie zustimmen, betont sie. Wer das hört, möchte meinen, die Kanzlerin sei im Grunde genommen gar nicht traurig darüber, dass die Verhandlungen am vergangenen Freitag gescheitert sind. Aber das würde sie natürlich nie laut sagen.

Europäische Grundsatzfragen

Stattdessen sagt sie, und das ganz klar, dass nun andere Zeiten angebrochen sind. Der Rettungsfonds ESFS ist Geschichte, wer jetzt noch Geld haben möchte, der muss sich den Regeln seines Nachfolgeinstruments, des ESM, unterwerfen. Die sind allerdings viel schärfer und dürften für die Griechen noch ganz andere Zumutungen bedeuten. Aber der ESM gilt und der Kanzlerin ist das nur Recht.

Denn Angela Merkel erklärt den Konflikt mit Athen von nun an zur europäischen Grundsatzfrage. Mit der sie auch ihren lange nicht mehr gehörten, nun aber frisch polierten und in gewisser Weise auch umgedeuteten Ausspruch vom Scheitern des Euro verbindet. "Die Zukunft Europas stünde auf dem Spiel, wenn wir vergessen würden, wer wir sind und was uns stark macht, eine Rechts- und Verantwortungsgemeinschaft", sagt die Kanzlerin. "Dann wäre der Euro gescheitert und mit ihm Europa."

Andere Zeiten

Angela Merkel kann das heute sagen, weil sie davon überzeugt ist, dass eine griechische Staatspleite, anders als vor fünf Jahren, Europa wirtschaftlich nicht mehr in den Abgrund stürzen würde. Es wäre zwar ungemütlich und auch teuer, aber nicht mehr existenzbedrohend. Eine Botschaft, mit der sie alles auf den Kopf stellt, was in den vergangenen Jahren richtig schien. Was vor allem auch den Griechen signalisierte: Wir lassen Euch nicht fallen und werden alles dafür tun, damit ihr im Club bleibt.

Was aber auch dazu beitrug, dass die Bundeskanzlerin ab 2010 zu denen gehörte, die den griechischen Konkurs mutwillig verschleppt haben. Angesichts dessen, was drohte, nämlich der Kollaps der Banken und damit wohl zwangsläufig auch der Zusammenbruch der Euro-Zone, schien das das kleinere Übel zu sein. Also Augen zu und durch und darauf hoffen, dass es in Griechenland mit der Modernisierung schon klappen und nicht anders laufen würde als in Irland, Spanien oder Portugal.

Eine eiserne Botschaft

Das war nicht der Fall, doch das tut heute - in machtpolitischen Kategorien gedacht - nichts mehr zur Sache. Die Bundeskanzlerin hat wieder festen Boden unter den Füßen und den wird sie nutzen. Auch, um innenpolitisch zu punkten und in CDU und CSU wieder Geschlossenheit herzustellen. Denn aus den anfänglichen Bedenken gegen nicht enden wollende Griechenland-Hilfen war in der Union zuletzt offenes Aufbegehren geworden.

Wie auch immer die Verhandlungen mit Griechenland weitergehen werden, eins ist klar: Die Bundesregierung, die sich zuletzt sehr zurückgenommen und der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalem Währungsfonds das Feld überlassen hatte, wird sich in Zukunft wieder deutlicher einbringen. Und zwar mit einer sehr deutlichen, mit einer eisernen Botschaft.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!