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Kommentar: Die EU muss arabische Staaten weiter drängen

Bernd Riegert, zurzeit Barcelona28. November 2005

Die Teilnehmer des EU-Mittelmeer-Gipfels schafften es nicht, eine "gemeinsame Vision" für die Zukunft zu beschließen. Dennoch ist die EU auf dem richtigen Weg. Bernd Riegert kommentiert.

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Abschlusserklärung in letzter MinuteBild: AP
Bernd Riegert

Die Mittelmeer-Partnerschaft der Europäischen Union mit den südlichen Anrainern des gemeinsamen Meeres ist zehn Jahre alt. Wie weit ist man gekommen? Gegenüber 1995 gibt es eine ganze Reihe von Abkommen, Handels-Erleichterungen und Austausch-Programmen, die Hoffnung machen. Es sind Grundsteine gelegt worden, doch die weitere Gestaltung kommt nur zäh voran. Eine echte politische Partnerschaft ist das noch nicht. Deshalb sollte man den Versuch aber nicht verurteilen. Denn eine Alternative gibt es nicht.

Militärischer Druck ist keine Alternative

Wenn es den Barcelona-Prozess nicht gäbe, müsste man ihn erfinden, sagt die EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner. Und damit trifft sie den Nagel auf den Kopf. Die EU muss gegenüber den Regimen und autokratischen Herrschern im Nahen Osten und im Maghreb weiter auf das Konzept "Wandel durch Annäherung" setzen. Der teilweise von den USA unter Präsident Bush versuchte Weg, den Staaten durch militärischen Druck Demokratie zu bringen, ist wie man im Irak sehen kann, keinesfalls die bessere Alternative.

Der Streit um eine Definition des Terrorismus, der die Konferenz überschattete, sollte den Blick auf das Wesentliche nicht verstellen. Der immer noch ungelöste Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern führt zu Empfindlichkeiten auf beiden Seiten, die nicht davon ablenken sollten, dass islamistischer Terror mittlerweile alle 35 Partner-Staaten bedroht. Die Terroristen haben nicht nur in Madrid und London, sondern eben auch in Amman, auf Djerba und in Casablanca zugeschlagen.

Arabische Staaten schickten zweite Garnitur

Leider haben die arabischen Staaten es versäumt, dem sinnvollen Mittelmeer-Dialog beim Gipfel in Barcelona neuen Schwung zu geben. Die meisten Staatschefs verzichteten auf eine Teilnahme und schickten die zweite Garnitur. Die Europäische Union machte gute Miene zum bösen Spiel. Jedermann wusste, dass dieses Verhalten als ziemlich dreiste Zurückweisung empfunden werden muss.

Dennoch machen auch Rückschläge den Barcelona-Prozess an sich nicht überflüssig. Die EU muss weiter drängen, dass Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den arabischen Staaten langsam vorankommen. Sie handelt richtig, wenn sie für ihre Wirtschaftshilfe mehr konkrete Schritte der Partnerländer verlangt. Dass sich die arabischen Staatsmänner gegenüber der eigenen Presse und Öffentlichkeit jegliche Einmischung verbitten, gehört zum Ritual. Im Verhandlungssaal, gegenüber den europäischen Partnern, werden viel sanftere Töne angeschlagen.

Geduld und Fingerspitzengefühl gefragt

Zu schnelle Fortschritte sollte man nicht erwarten, denn das hieße für viele Regime, sich ihr eigenes Grab zu schaufeln. Außerdem darf man die sieben arabischen Partner, um dies es geht, auch nicht über einen Kamm scheren. Die Spannbreite der Entwicklungen zwischen Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Jordanien, Libanon und Syrien ist sehr groß. Alle diese Staaten verdienen und erhalten ein maßgeschneidertes Partnerschafts-Programm.

Der Barcelona-Prozess ist nicht umsonst nach dem Modell der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) konstruiert. Die hat im Kalten Krieg zu Verhandlungen auf gleicher Augenhöhe geführt und die Grundlage zu radikalem Wandel in Osteuropa gelegt. Auf diesen Effekt sollte man auch im Nahen Osten bauen. Nur braucht dieses Vorgehen Geduld, Vertrauen, Fingerspitzengefühl und ein Quäntchen Hoffnung.