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Die Kippa muss bleiben!

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Max Hofmann
13. Januar 2016

Selbst die jüdische Gemeinde in Marseille warnt jetzt davor, öffentlich die Kippa zu tragen. Aber Kippot müssen Teil des Straßenbilds bleiben, meint Max Hofmann, denn sie symbolisieren die wahre Freiheit in Europa.

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Zum Thema - Online-Umfrage - Juden in Europa sehen wachsenden Antisemitismus
Bild: picture-alliance/dpa

Jetzt ist es also die Kippa. Eine kleine runde Mütze auf dem Kopf gläubiger Juden, die zum jüngsten Symbol für die schwindende Freiheit geworden ist. Kann man in diesem Europa denn gar nichts mehr machen, ohne um Leib und Leben fürchten zu müssen? Ein Konzert in Paris besuchen, feiern auf der Kölner Domplatte, seinem religiösen Tagesgeschäft nachgehen? Die Unbeschwertheit ist dahin, die Freude ist dahin und die Freiheit verabschiedet sich mit ihnen.

Dass Menschen überhaupt darüber nachdenken müssen, ob sie sich aus Sorge um ihre körperliche Unversehrtheit eine Kippa aufsetzen sollen oder nicht - es ist eine Beleidigung aller aufgeklärten Werte, die Europa ausmachen. Die Kippa ist ein völlig harmloses religiöses Symbol - anders als die muslimische Burka, der Tschador und was da sonst noch im Namen mancher Islam-Auslegungen die Gleichberechtigung von Mann und Frau verhöhnt.

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Max Hofmann leitet das DW-Studio in Brüssel

Machtvolles Argument für Abreise

Der Rat der jüdischen Gemeinde in Marseille, jetzt besser auf die Kippa zu verzichten, er zeigt die Verwundbarkeit und Hilflosigkeit der Juden in Frankreich. Im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften des alten Kontinents sind sie zurückhaltend, ja ängstlich. Jüdische Anschläge auf muslimische oder christliche Einrichtungen in Europa gibt es nicht. Mit dem absurden Macheten-Angriff in Marseille jetzt oder dem Anschlag auf einen jüdischen Supermarkt im Januar 2015 baden sie uralte Ressentiments aus und wohl auch das, was Palästinenser und Israelis im Nahen Osten gemeinsam anrichten.

Viele ziehen die Konsequenzen: Im Jahr 2015 haben 8000 Juden Frankreich in Richtung Israel verlassen. Ein trauriger Rekord. Ihnen möchte man zurufen: "Bitte bleibt!" Vor allem als Deutscher, der weiß, welch kulturelle Selbstamputation der Holocaust war. Nur, es gibt leider immer weniger rationale Argumente für Juden, auch tatsächlich in Frankreich zu bleiben. Wirtschaftlich trübe Aussichten sind das eine und betreffen alle. Aber als besonders verwundbare Gemeinde dem religiösen Hass radikaler Gruppierungen ausgesetzt zu sein, ist ein machtvolles Argument für die Abreise.

Starkes Symbol für angstfreie Selbstverwirklichung

Eigentlich kommt jetzt der Teil, wo man mit dem Finger auf den französischen Staat zeigt und sagt: "Er muss die Juden besser schützen!" Das stimmt immer, und sicher kann der Staat noch mehr tun. Mehr Kontrollen, mehr Überwachung, mehr Polizei. Der Staat schränkt damit die Privatsphäre und Bewegungsfreiheit Aller ein, um die Religionsfreiheit Weniger zu schützen. Aber letztere ist die wahre Freiheit, die es in letzter Instanz zu schützen gilt in Europa - vor allem in Deutschland mit seiner Geschichte, aber auch in Frankreich mit der größten jüdischen Gemeinde des Kontinents.

Denn Kippot auf Frankreichs Straßen zeigen, dass das Judentum trotz aller Auslöschungsversuche überlebt hat auf dem alten Kontinent. Sie haben etwas Beruhigendes, sie sollten uns allen Freude machen. Sie sind eines der stärksten Symbole für überwundenen Hass, für Toleranz, für angstfreie Selbstverwirklichung und damit für Freiheit. Das muss so bleiben.

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Max Hofmann Leiter der Hauptabteilung Nachrichten@maxhofmann