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Kommentar: Die Lösung liegt weiterhin bei den Akteuren selbst

Peter Philipp 10. Mai 2006

Die Wiederaufnahme der Hilfe für die Palästinensergebiete korrigiert Maßnahmen, die vor allem die Bevölkerung treffen. Eine Lösung ist der Beschluss jedoch nicht, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

Das Nahost-Quartett - die Vertreter der USA, der EU, Russlands und der Vereinten Nationen - hat in einer dringenden Sitzung beschlossen, die Hilfe für die Palästinenser vorübergehend wieder aufzunehmen, um eine weitere Verschlechterung der Lage in den palästinensischen Gebieten zu verhindern: Für zunächst drei Monate sollen wieder Hilfsgelder dorthin fließen. Diese sollen aber nicht an die Hamas-geführte Regierung gehen, sondern streng kontrolliert direkt den jeweiligen Hilfsprojekten zugute kommen. Die USA gaben zum Beispiel bekannt, dass sie 50 Millionen Dollar für medizinische und Kinder-Projekte zu zahlen beschlossen haben.

Umsetzung wird Wochen dauern

Der Beschluss wird kaum eine unmittelbare Veränderung der Lage im Gazastreifen und dem Westjordanland herbeiführen. Schon allein deswegen nicht, weil seine Umsetzung Wochen, wenn nicht Monate dauern wird. Die Lage der palästinensischen Bevölkerung aber ist desolat. So hängt jeder vierte Palästinenser direkt oder indirekt von den rund 150.000 Gehältern ab, die die Autonomieverwaltung zahlt. Oder genauer: Die sie seit zwei Monaten nicht mehr zahlen kann. 166 Millionen Dollar sind das jeden Monat.

Ebenso fehlen die monatlich 50 Millionen Dollar, die Israel an Zoll und Steuern überweisen muss, die es treuhänderisch für die Autonomiebehörde einbehalten hat. Auch dieses Geld bleibt aus. Die offiziellen Hilfszahlungen aus Europa und den USA sind seit dem Wahlsieg der islamistischen Hamas eingestellt - nach Schätzungen der Weltbank eine Milliarde Dollar im Jahr - und trotz Hilfszusagen aus den Reihen der Arabischen Liga, aus dem Iran, aus Russland und einigen skandinavischen Ländern: Das Geld bleibt aus, weil sich kein Weg findet, es zu überweisen.

Palästinenser ohne Bank

Die meisten internationalen Banken verweigern Überweisungsaufträge, weil sie besonders amerikanische Sanktionen befürchten. Selbst saudischen und ägyptischen Banken sind die Geschäftsbeziehungen mit den USA eben wichtiger als die Solidarität mit den Palästinensern. Deswegen taten die Mitglieder des Nahost-Quartetts zwar gut mit der Forderung, Banken dürften wegen solcher Überweisungen nicht mit Sanktionen bedroht werden, mehr als deutlich ist hier aber die Hilflosigkeit des Quartetts herauszuhören.

Dieses Quartett war einst angetreten, um dem Nahen Osten einen Ausweg aus der verfahrenen Situation anzubieten, in die er spätestens seit dem Ausbruch offener Feindseligkeiten im Rahmen der Intifada geraten war. Die geballte Kompetenz der internationalen Politik brachte aber nicht mehr zustande als die so genannte Road Map - einen ebenso allgemein gehaltenen wie unverbindlichen Fahrplan für einen Nahost-Frieden: Die Gewalt müsse aufhören und beide Seiten müssten einander anerkennen, um nur zwei wichtige Punkte zu nennen.

Am Ende des Lateins

Das Quartett war nicht in der Lage, auch nur solche Selbstverständlichkeiten durchzusetzen. Immerhin aber hatten Israel und die PLO ja wenigstens einst in Oslo den Beginn gemacht. Als nun aber die Hamas in die Regierungsverantwortung gewählt wurde, da war das Quartett am Ende seines Lateins: Die Hamas lehnt bisher offiziell den Staat Israel ab und sie begrüßte und rechtfertigte Terroranschläge gegen Israel. Mit solch einer Organisation - die man in Europa und den USA zudem noch als Terrororganisation eingestuft hatte - wollte man nichts zu tun haben.

Zu dumm nur, dass die Hamas in freien Wahlen an die Macht gekommen war. Wahlen, wie man sie im Westen doch immer gefordert hatte und auf die man zunächst ja auch richtig stolz war. Bis das Ergebnis bekannt wurde. Für Kritiker des Westens in der arabischen und muslimischen Welt ein gefundenes Fressen: Jetzt zeige der Westen, dass er mit zweierlei Maß misst. Und das Quartett war nicht in der Lage, dem etwas entgegenzusetzen.

Man wollte die Hamas-Regierung unter Druck setzen und traf stattdessen die palästinensische Bevölkerung. Der Beschluss, einen Teil der Hilfe nun wieder aufzunehmen, soll das teilweise korrigieren, er wird die Lösung aber nicht bringen. Die liegt weiterhin bei den Akteuren selbst: Die Hamas auf der einen Seite, Israel auf der anderen. Alles andere ist Augenwischerei, die in erster Linie verklären soll, dass das Nahost-Quartett gar nicht in der Lage ist, Frieden in der Region zu stiften.