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Die NATO muss cool bleiben

2. Dezember 2015

Der Konflikt zwischen der Türkei und Russland darf ein gemeinsames Vorgehen gegen den IS nicht verhindern, meint DW-Redakteur Christoph Hasselbach.

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Der türkische Ministerpräsident Davutoglu und NATO-Generalsekretär Stoltenberg (Foto: Reuters/F. Lenoir)
Der türkische Ministerpräsident Davutoglu (l.) und NATO-Generalsekretär StoltenbergBild: Reuters/F. Lenoir

Um was geht es hier eigentlich? Wer ist der Feind? Diese einfachen Fragen muss man sich stellen, wenn es um die internationalen Versuche geht, gegen den "Islamischen Staat" vorzugehen. Die NATO will jetzt die Sicherheit seines Mitglieds Türkei erhöhen und dazu vor allem die türkische Luftabwehr stärken. Doch der IS hat überhaupt keine Luftwaffe.

Auf der anderen Seite hat die Türkei vergangene Woche gezeigt, dass sie sowohl in der Lage als auch bereit ist, einen russischen Bomber abzuschießen, der nach türkischen Angaben türkischen Luftraum verletzt und selbst nach mehrmaligen Warnungen nicht reagiert hat.

Die NATO-Führungsmacht USA stärkt den Türken den Rücken: Die türkische Darstellung sei richtig. Außerdem habe die Türkei das Recht zur Selbstverteidigung. Für die Luftraumverletzung spricht auch, dass Russland regelmäßig die nördlichen NATO-Mitglieder im Baltikum und die neutralen Länder Schweden und Finnland durch Eindringen in deren Luftraum provoziert. Der Vorfall steht also in einem größeren Zusammenhang.

Interessensgegensätze

Doch seit dem Abschuss schaukelt sich der Streit hoch: Russland hat gegenüber der Türkei Wirtschaftssanktionen angekündigt und Ankara vorgeworfen, es beziehe Öl vom IS und habe das russische Flugzeug abgeschossen, um diese Zufuhr zu schützen. Moskau hat jetzt seinerseits ein modernes Flugabwehrsystem auf seinem syrischen Stützpunkt bei Latakia mit 400 Kilometern Reichweite stationiert. Die Türkei wiederum wirft Russland vor, gar nicht den IS in Syrien zu bombardieren, sondern unter anderem die türkischstämmigen Turkmenen, als deren Schutzmacht sie sich versteht.

Christoph Hasselbach (Foto: DW/M.Müller)
DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Tatsächlich ist der Interessensgegensatz zunächst eklatant: Russland stärkt dem syrischen Präsidenten Assad den Rücken gegen den IS, aber auch gegen andere syrische Gruppen, die zum Teil von den USA unterstützt werden. Die Türkei bekämpft Assad und hat den IS in der Vergangenheit zumindest immer wieder gewähren lassen, gegen Assad und gegen die Kurden. Doch auch für die Türkei ist der IS erklärter Feind.

Der IS profitiert vom Zerwürfnis

So also soll eine internationale Koalition gegen den "Islamischen Staat" aussehen? Zwar hat sich NATO-Generalsekretär Stoltenberg am Dienstag in Brüssel beeilt zu sagen, die Stärkung der türkischen Luftabwehr habe nichts mit dem Abschuss zu tun. Doch das Bündnis könnte damit die Spannungen zwischen Russland und der Türkei, diesen beiden für die Zukunft Syriens entscheidenden Staaten, noch weiter anheizen - zumal einige östliche NATO-Mitglieder froh sind, dass es ein Bündnismitglied den Russen "mal ordentlich gezeigt" hat. Die Wut über Russlands Vorgehen gegen die Ukraine und die Annexion der Krim sitzt tief.

Doch eine solche Eskalation ist genau das, was die NATO im Augenblick am wenigsten brauchen kann. Die Gefahr besteht darin, dass die Türkei versuchen wird, die NATO für ihre Zwecke einzuspannen und gegen Russland in Stellung zu bringen. Lachender Dritter wäre der "Islamische Staat".

Nach den Pariser Anschlägen sah es so aus, als könne man eine breite Koalition für eine Militäraktion gegen den IS zusammenbekommen. Wenn dieser Kampf überhaupt militärisch zu gewinnen ist, dann nur ohne ernste Zerwürfnisse zwischen einzelnen wichtigen Akteuren. Der NATO mag es wegen des Ukraine-Konflikts schwerfallen, aber sie sollte in Zukunft wieder regelmäßig mit Moskau auch im Rahmen des NATO-Russland-Rates reden. Denn mit dem gemeinsamen Kampf gegen den IS steht zuviel auf dem Spiel.

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Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik