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Politik

Die ruhmreiche Verhaftung des Alexej Uljukajew

Rescheto Juri Kommentarbild App
Juri Rescheto
15. November 2016

Die Festnahme des russischen Wirtschaftsministers in einer Nacht- und Nebelaktion ist für die Russen ein Schock. Weil es dabei um mehr geht, als den angeblichen Kampf gegen die Korruption, meint Juri Rescheto.

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Russland Wirtschaftsminister Alexei Uljukajew
Bild: picture-alliance/dpa/S. Guneev

Vor dem Gesetz sind alle gleich. Und wer korrupt ist, muss büßen. Der Wirtschaftsminister der Russischen Föderation, Alexej Uljukajew, ist angeblich korrupt. Er soll zwei Millionen Dollar in bar erhalten und dafür die Übernahme des Ölkonzerns Baschneft durch den Großkonzern Rosneft genehmigt haben. Sagt die oberste russische Anklagebehörde.

"Die Vorwürfe sind schwer" - sagt Kremlsprecher Dmitri Peskow. Artikel 6, Paragraf 290 des russischen Strafgesetzbuches: "Korruption in einem besonders großen Ausmaß". Dafür müsse es ernstzunehmende Beweise geben. Die Untersuchung müsse diese Beweise dem Gericht liefern. Natürlich.

Offen ausgesprochene Zweifel

Dumm ist nur, dass außer dem Kreml niemand an die Echtheit der Vorwürfe glaubt - ja sich auch nur vorstellen kann, dass Uljukajew jemals Schmiergeld angenommen haben könnte. Weder in Uljukajews Ministerium noch in der Russischen Zentralbank noch in den betreffenden Behörden, die das angeblich korrupte Übernahmegeschäft begleitet haben. Und diese Zweifel werden laut ausgesprochen - was untypisch ist für Russland, wo die Menschen sich dreimal überlegen, bevor sie etwas gegen die offizielle Lesart sagen.

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Juri Rescheto ist DW-Korrespondent in Moskau

Woran hingegen niemand zweifelt, ist, dass die spektakuläre Verhaftung des Ministers und deren mediale Begleitung eine perfekt koordinierte Aktion des Geheimdienstes war: Der FSB soll Uljukajew seit über einem Jahr observiert haben, sein Telefon seit Ende des Sommers abgehört worden sein. Das berichten mehrere russische Medien mit Verweis auf Quellen im Geheimdienst und in der Regierung. Selbstverständlich wusste Russlands Präsident und Ex-Geheimdienstchef Wladimir Putin Bescheid und unternahm - nichts! Er hätte Uljukajew entlassen können. Seine angebliche Bestechlichkeit schon früher oder anders bestrafen. Beschlossen wurde aber eine Schau-Verhaftung mit großem Tamtam..

Sie ähnelt übrigens einer anderen Verhaftung: der des Ministerpräsidenten von Kirow, Nikita Belych. Auch der wurde - genauso wie Minister Uljukajew - in eine Falle gelockt und bei der Übergabe von Schmiergeld "erwischt". Gleiches Schema, gleiche Vorwürfe. Und - ein ähnliches politisches Profil.

Der letzte Hoffnungsträger für einen liberalen Kurs

Belych sympathisierte mit der Partei des ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow. Er war jung und ambitioniert. Er wollte raus aus der Provinz, hinein nach Moskau. Minister Uljukajew galt vielen als die letzte Hoffnung auf einen liberalen Wirtschaftskurs Russlands. Als Garant für westliche Investitionen im Land. Ist seine Verhaftung der Beginn einer neuen Runde politischer Säuberungen? In Moskau wird jedenfalls gerätselt, wessen Kopf als nächster rollt.

Tatsache ist, dass die Verhaftung von Uljukajew, zumindest so wie sie in den Medien durch die Behörden dargestellt wird, eigentlich heftigste Kritik der russischen Regierung selbst ist. Sie bedeutet nämlich, dass in Russland keinerlei Mechanismen im Kampf gegen die Korruption greifen. Sonst müsste man ja glauben, dass hinter der Fassade von Alexej Uljukajew, den alle seit Jahrzehnten kannten, ein besonders gerissener Verbrecher steckte. Einer der nachts Staatskonzerne ausraubte und dafür in bar bestochen wurde. Tagsüber aber diskutierte dieser schlimme Mensch demnach bei Kabinettssitzungen mit Putin und seinen Kollegen über die Dynamik des Bruttoinlandsprodukts. Und niemand, aber auch wirklich niemand außer dem ruhmreichen Geheimdienst konnte auch nur ahnen, dass hinter dem harmlosen Gesicht mit der randlosen Brille ein solch genialer Verbrecher steckte…

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Juri Rescheto Chef des DW-Büros Riga