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Die Stunde der Demokratie-Werber!

Richard A. Fuchs 22. Januar 2015

Der Kopf der islamkritischen Pegida ist zurückgetreten und zuletzt kamen weniger Menschen: Viele glauben, damit löse sich das Problem von selbst. Richard Fuchs ist jedoch überzeugt: Jetzt beginnt die Arbeit.

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Bild: picture-alliance/dpa/O. Killig

Geht der islamkritischen Pegida-Bewegung auf den Straßen von Dresden und Leipzig die Puste aus? Seit Mittwoch sehen viele das Ende der schwer eingrenzbaren Straßenproteste bald gekommen. Zwar war es bei der Demonstration des Leipziger Pegida-Bündnisses (Legida) am Mittwochabend zu Verletzten gekommen: Doch statt der von den Organisatoren erhofften Rekord-Teilnehmerzahl von 40.000 folgten nach Polizeiangaben nur rund 15.000 Menschen dem Aufruf, ihren Ängsten vor einer Überfremdung Deutschlands Ausdruck zu verleihen.

Ein herber Rückschlag für die Bewegung, die sich mit vollem Namen "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" nennt. Und dann tritt überraschend auch noch der Kopf und das Gesicht der Pegida-Bewegung, Lutz Bachmann, zurück. Er zog damit die Konsequenz aus dem öffentlich gewordenen Skandal-Bild, das ihn als Hitler verkleidet zeigt, begleitet von Facebook-Kommentaren, in denen er Ausländer als "Viehzeug" und "Dreckspack" bezeichnete.

Die Pegida-Anhänger bleiben

Wer nun glaubt, die führungslose und schrumpfende Pegida-Bewegung trudle damit langsam ins politische und mediale Abseits, der könnte sich irren. Pegida geht es schlecht - aber Vorsicht! Denn auch wenn der offen rechtsextreme Gründer der Bewegung von Bord ist: Die Mitläufer bleiben. Sympathisanten, die Politiker vielfach als "Verräter" beschimpfen und Journalisten als "Lügenpresse" diffamieren. Menschen, die allem Anschein nach 25 Jahre nach dem friedlichen Fall der Mauer und der Wiedervereinigung vom "System Deutschland" und der sozialen Marktwirtschaft bitter enttäuscht sind.

Ob diese Menschen auf Dresdens oder Leipzigs Straßen demonstrieren, oder ob sie ihrem Frust über die repräsentative Demokratie im persönlichen Umfeld freien Lauf lassen: Sie richten an beiden Stellen Schaden für ein friedliches Miteinander an. Bloßes Ignorieren und Wegsehen ist deshalb kein Mittel, die Pegida-Ideen als Irrläufer im Diskurs der demokratischen Gesellschaft zu entlarven. Diffuse Ängste und Zerrbilder werden in vielen Köpfen überleben, auch wenn Demonstrationen auf Straßen wieder kleiner werden. Dabei bietet das aktuelle Macht-Vakuum an der Spitze der Pegida-Bewegung auch eine Chance, Mitläufer von waschechten Rechtsextremen zu trennen und um Vertrauen zu werben, wo es scheinbar unwiederbringlich verloren ist.

Richard Fuchs, Korrespondent im DW-Hauptstadtstudio
Richard Fuchs, Korrespondent im DW-HauptstadtstudioBild: DW/R. Fuchs

Nicht andienen - Vorbild sein!

Das gelingt nicht, wenn sich politische Amtsträger dumpfen ausländerfeindlichen Parolen andienen. Zuletzt hatte sich daran der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer versucht. Und das gelingt auch nicht, wenn islamfeindlichen Parolen eine Bühne geboten würde, die ihre mediale Verbreitung noch beschleunigte.

Aber das kann gelingen, wenn sich demokratisch gewählte Vertreter und Journalisten wieder auf ihre ganz persönliche Vorbildfunktion besinnen. Eine Vorbildfunktion, die sich nicht damit abfindet, dass Teile der Gesellschaft (wie die Pegida-Mitglieder) als verloren gelten - um die es sich nicht zu ringen lohnt. Es braucht jetzt also Menschen in Staat und Zivilgesellschaft, die hörbar und sichtbar den Werten des Grundgesetzes im Alltag ein Gesicht geben. Denn nur, wenn die demokratischen Vorbilder für mehr Toleranz und gelebte Demokratie zunehmen, verblassen falsche Klischees und Zerrbilder in den Medien.

Das wird am Ende nicht alle islamkritischen Mitläufer der Pegida-Bewegung davon überzeugen, Deutschland in seiner heutigen Form eine zweite Chance zu geben. Doch jeder Einzelne, der dieser Bewegung abschwört, wäre ein demokratischer Gewinn. Selbst wenn das vielen schwer fallen mag: Jetzt ist die Stunde der Demokratie-Werber!