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Politik

Die unaufgeregte Kanzlerin

16. Mai 2018

Es brennt an allen Ecken der Welt. Wie geht Deutschland damit um? Wer sich vom Auftritt Angela Merkels im Bundestag Neues erwartet hatte, wurde enttäuscht, meint Sabine Kinkartz. Kleine Schritte statt großer Visionen.

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Deutschland Bundestag Angela Merkel
Bild: Reuters/H. Hanschke

Es gab einen Moment in der Debatte, da musste Angela Merkel ein wenig schmunzeln. Das war, nachdem FDP-Chef Christian Lindner Widersprüche und Streitpunkte in der Großen Koalition aufgelistet hatte und die Kanzlerin aufforderte, von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen. "Führen Sie, führen Sie dieses Land!" Aber das tue ich doch, schien Merkels Blick zu sagen. Auf meine Art.

Klare Kante, wie das so schön heißt, ist nicht Merkels Ding. War es noch nie und wird es nie sein. Das wird sich auch in ihrer vierten Amtsperiode nicht mehr ändern. Sie beobachtet, wie andere diskutieren. Sie wartet ab, welche Meinungen sich herausbilden. Sie ist der Kopf, der im Hintergrund plant und abwägt, was am Ende machbar und nützlich sein könnte.

Jemand, der an vorderster Front in den Kampf zieht, der sich weit aus dem Fenster lehnt und keine Angst davor hat, sich die Finger zu verbrennen - dieser politische Ansatz wird nie der ihre werden. Erst recht nicht nach den verheerenden Folgen, die ihre Festlegung in der Flüchtlingsfrage für sie hatte.

Wie verspeist man einen Elefanten?

Merkel ist das Gegenteil von Donald Trump, aber auch von Emmanuel Macron. So verschieden der US-Präsident und der französische Staatschef auch sind - sie stehen für etwas. Sie haben eine Meinung, eine Vision, man möchte fast sagen, eine Mission. Für Merkel hat Politik aber nichts mit Leidenschaft zu tun. Politik, das ist für sie eine nicht enden wollende "To-Do-Liste". Die Stück für Stück abgearbeitet werden will. Wie verspeist man einen Elefanten? Bissen für Bissen.

Kinkartz Sabine Kommentarbild App
Hauptstadtkorrespondentin Sabine Kinkartz

Was das für ihre Politik bedeutet, war in der Haushaltsdebatte im Bundestag gut festzustellen: Ob Iran, USA, Syrien, Russland oder die EU - an Merkels Herangehensweise wird sich nichts ändern. Kleine Schritte statt großer Visionen, das ist ihre Maxime. Da mag Macron noch so sehr drängen, eine EU-Reform ist für Angela Merkel nichts, was man übers Knie brechen sollte. Deutschland wird sich unter ihr auf nichts festlegen, bevor nicht das Kleingedruckte ausformuliert ist. Das gilt auch für einen Europäischen Währungsfonds.

Streit mit den USA? Wie die Krise in einer langen Ehe

Unaufgeregt und sachlich bleibt die Kanzlerin auch mit Blick auf die USA und Donald Trump. Das transatlantische Bündnis bleibt von "herausragender Bedeutung". Trotz allem, was im Moment schief läuft. Meinungsverschiedenheiten muss man aushalten, das Beste daraus machen und zumindest dafür sorgen, dass die Situation nicht eskaliert. Wenn es dann statt eines Staatsempfangs beim Präsidenten nur drei Stunden Gespräch bei Wasser und Brot gibt, dann ist das eben so. Kein Grund, sich aufzuregen. So ist der Job.

Viele mögen diese Herangehensweise kritisieren. Aber in diesen aufgeregten Zeiten, in denen Populisten weismachen wollen, dass man nur draufhauen muss, um Probleme schnell und einfach zu lösen, kann das Unaufgeregte auch wohltuend sein. So wie nach dem Auftritt von Alice Weidel, die als Fraktionsvorsitzende der größten Oppositionspartei die Generalaussprache zum Haushalt eröffnen durfte. Die polemische und beleidigende Rede der AfD-Politikerin versetzte das Plenum in Rage. Unter anderem sprach sie von "Kopftuchmädchen und anderen Taugenichtsen", die Kanzlerin und ihre Minister bezeichnete sie als Idioten.

Von Amtsmüdigkeit keine Spur

Und was machte Angela Merkel, die anschließend das Wort hatte? Sie trat ans Rednerpult, sagte "Guten Morgen" und blickte ruhig und freundlich in die Runde. Wie eine Mutter, die ungerührt über den Trotzanfall eines Kleinkindes hinweggeht. Dann hielt sie stoisch ihre Rede, so wie sie schon unzählige Regierungserklärungen zuvor gehalten hat. So kennt man sie.

Allerdings wirkte Merkel sehr aufgeräumt. Die Kanzlerin scheint innenpolitisch mit sich und ihrer Regierungskoalition nun im Reinen zu sein. Nach Monaten, in denen Merkel deutlich anzumerken war, wie sehr die lange Regierungsbildung an ihr gezehrt hat. Sie ist zurück im gewohnten "Kanzlerinnen-Modus". Von Amtsmüdigkeit keine Spur. Wer bereits Wetten auf einen Rücktritt Merkels zur Mitte der Legislaturperiode abgeschlossen hat, könnte enttäuscht werden.

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