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Politik

Die Vereinten Nationen im Stich gelassen

Kommentarbild Georg Schwarte PROVISORISCH
Georg Schwarte
24. Oktober 2016

Nichts ist gut 71 Jahre nach Verabschiedung der Charta der Vereinten Nationen. Dass aber die UN die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllen können, ist ihnen selbst am wenigsten anzulasten, meint Georg Schwarte.

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UN Hauptquartier New York Gebäude
Bild: Emmanuel Dunand/AFP/Getty Images

Wir, die Menschen dieser Welt, hatten uns einmal etwas versprochen. Erinnert sich noch wer? "Wir, die Völker der Vereinten Nationen - fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unserem Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat". Hat ja bestens geklappt, was wir, die Menschen, uns damals 1945 als Präambel für die großartigste Organisation der Welt, die Vereinten Nationen, aufgeschrieben haben. 1945 - die Trümmer rauchten noch, die Toten klagten an, die Geißel des Krieges war sehr präsent.

Eine Dimension des Schreckens wie 1945

Und heute? Am Tag der Vereinten Nationen, der einmal im Jahr uns, die Menschen, erinnern soll, was wir uns damals versprochen hatten: die Trümmer rauchen, die Toten klagen an, wieder Hunderttausende, 60 Millionen auf der Flucht. So viel gab es zuletzt just zu der Zeit, als die Welt 1945 beschloss, dem Morden, dem Sterben, den Trümmern, dem Flüchten, der Geißel des Krieges, ein Bollwerk der Menschheit entgegen zu setzen - die Vereinten Nationen. Hat ja bestens geklappt! Nicht nur Zyniker kommen dieser Tage sehr schnell zu diesem Schluss.

Georg Schwarte
Georg Schwarte ist Leiter des ARD-Hörfunkstudios in New YorkBild: ARD/R. Freese

Dag Hammarskjöld, der im Amt getötete zweite UN-Generalsekretär, hatte einst versucht, der utopischen Präambel zur Charta der Vereinten Nationen eine lebensnähere Interpretation  an die Seite zu stellen: Die Vereinten Nationen, sagte er, seien nicht geschaffen, um die Menschen in den Himmel zu führen, sondern sie vor der Hölle zu retten. Hat ja bestens geklappt, könnten wir jetzt wieder im Chor rufen: Ein Sicherheitsrat, der seit fünfeinhalb Jahren mit Empörungslyrik versucht, einen Syrienkrieg zu beenden. Ein Sicherheitsrat, dessen fünf Vetomächte offenbar auf eine andere Definition von Himmel und Hölle zurückgreifen. Ein Sicherheitsrat, dessen Mitglieder zu wenig Finger an den Händen haben, um alle Höllentore der Welt aufzuzählen: Libyen, Jemen, Burundi, Kongo, Südsudan, Palästina, Ukraine, Somalia, Zentralafrikanische Republik, Irak und Syrien - immer wieder Syrien, die Hölle.

Die größte Hilfsorganisation der Welt

Aber die Hölle - das sind ja stets die anderen! Mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass es Jenseits der Vereinten Nationen keine anderen gibt. Wir Menschen sind die Hölle. Dass diese wunderbaren Vereinten Nationen, die größte Hilfsorganisation der Welt, die Leben rettet, die aufräumt, die schützt, die ernährt, die verarztet, bewahrt und leuchtet inmitten von dunklem Hass - dass wir diese Vereinten Nationen nicht stärker haben werden lassen, ist nicht der Organisation geschuldet. Wir Menschen haben sie im Stich gelassen, ohne zu merken, dass wir uns selbst im Stich gelassen haben. Wo nationale Egoismen beginnen, endet offenbar Gemeinsamkeit - heute genauso wie vor 71 Jahren. "Wir, die Völker der Vereinten Nationen - fest entschlossen, künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren" und,  so heißt es weiter "für diese Zwecke Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn im Frieden zu Leben". Genau, hat ja bestens geklappt! Bis zum heutigen Tag der Vereinten Nationen.

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