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Nach Bush

Peter Philipp3. November 2008

Das Interesse an der US-Wahl ist auch außerhalb des Landes enorm. Denn der Rest der Welt weiß, dass es dabei nicht nur um die Zukunft der USA geht, sondern auch um die eigene, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Peter Philipp
Peter Philipp

Wenn die US-Bürger am Dienstag (04.11.2008) einen neuen Präsidenten wählen, dann werden sie sich dabei kaum von Überlegungen beeinflussen lassen, in deren Mittelpunkt Europa steht oder gar Deutschland. Wenn schon das Ausland, dann jenes, mit dem man auf so unselige Weise verquickt ist: Der Irak an erster Stelle, dann Afghanistan vielleicht, auch der Iran, sicher aber auch Israel und Palästina. Ganz im Gegensatz dazu bringt die Welt, bringt ganz besonders Europa ein derart erhöhtes Interesse für die US-Präsidentschaftswahlen auf, dass man fast schon meinen könnte, die eigene Zukunft hinge von deren Ausgang ab.

Interdependente Welt

Gar kein so falscher Eindruck. Denn nicht nur die Globalisierung und nicht erst die Finanzkrise haben uns gelehrt, wie heute alles voneinander abhängt und wie rasch wir zu niesen beginnen, wenn jenseits des Atlantik Grippe ausbricht. Und es liegt deswegen natürlich in unserem ureigensten Interesse, dass in den USA entsprechende Sicherheitsvorkehrungen ergriffen werden. Auf dem Finanzsektor, der Wirtschaftspolitik, in Umweltfragen und natürlich auf den Bereichen Militär- und Machtpolitik.

Der bisherige Herr des Weißen Hauses hat es in all diesen Bereichen mangeln lassen - und die Welt ist am Ende seiner Amtszeit nicht besser, sondern in einem desolateren Zustand als zuvor. Darunter hat in erster Linie das Ansehen der Vereinigten Staaten gelitten, nicht nur in Europa, sondern weltweit. Unfairerweise wird die Kritik an George W. Bush häufig auf "die Amerikaner" allgemein projiziert, also auch auf jene, die wir mögen und die uns in so vielem Vorbild waren und Idol. Dies gilt auch für viele Araber und Iraner, die Bushs Amerika inzwischen als Feind betrachten, insgeheim aber weiterhin vom "American way of life" träumen. Während sie nicht von Washington herumgestoßen und gedemütigt werden wollen, möchten die Europäer in den USA wieder einen Partner sehen, mit dem sie Probleme besprechen und gemeinsam lösen - oder zumindest zu lösen versuchen.

Alleingänge ohne Rücksichtnahme

Unter George W. Bush war dies immer weniger möglich. Washington machte Alleingänge, ohne sich um die Verbündeten zu scheren, ohne Rücksicht auf die Vereinten Nationen oder internationale Gepflogenheiten. Der Umgang mit den USA wurde dadurch nicht gerade leichter. Daraus resultiert sicher ein Großteil der Sehnsucht nach Wechsel in den USA und das Interesse, ob der bevorstehende Wahltag diesen Wechsel bringen wird.

Zahlreiche Umfragen haben ergeben, dass der Protagonist des Wechsels, Barack Obama, Publikumsliebling der meisten Europäer ist und dass man auch in der unter Bush so geschurigelten islamischen Welt alle Hoffnung auf ihn setzt, weil man sich einen Neubeginn wünscht. Einen neuen Start, der es ermöglicht, auf gleicher Augenhöhe miteinander umzugehen, in gegenseitigem Respekt, vielleicht eines Tages sogar in Freundschaft. Dass nicht mehr die Gullydeckel zugeschweißt und ganze Straßenzüge geräumt werden müssen, wenn ein US-Präsident zu Besuch kommt, sondern dieser ein Bad in der Menge nehmen kann - so wie Obama in Berlin.

Vielleicht sind manche dieser Hoffnungen ein wenig naiv, weil auch Obama sie nicht alle erfüllen wird. Sie sind aber Ausdruck des Überdrusses mit dem gegenwärtigen Stand der Beziehungen zu den USA. Und Ausdruck der tiefen Hoffnung, dass mit den Wahlen ein neuer und besserer Tag anbrechen wird. Bei den Wahlen mag es ja "nur" um den Präsidenten der USA gehen, Europa und manche andere Weltgegenden spüren aber mehr als deutlich, dass es dabei auch um ihre eigene Zukunft geht.