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Kommentar: Druckausübung ohne Beweise

Peter Philipp5. Februar 2006

Die Einbeziehung des Sicherheitsrates wird vom Westen als "starkes Signal" an den Iran zum Einlenken bezeichnet - aber man könnte es auch als starkes Signal für eine verfehlte Politik sehen.

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Fernschreiber Autorenfoto, Peter Philipp

Vor dem Irakkrieg diskutierte man weltweit, ob die von Washington vorgelegten "Beweise" gegen den Irak ausreichten, um mit Gewalt gegen Bagdad vorzugehen. Vor allem Frankreich und Deutschland hielten die amerikanischen Behauptungen nicht für erwiesen und stimmten gegen den Krieg.

Drei Jahre später und im vollen Wissen, dass die amerikanischen "Beweise" von damals keine waren, und dass die Welt bewusst irre geführt worden war, haben Franzosen und Deutsche sich auf die Seite der Fälscher von damals geschlagen. Und sie stehen in erster Front, wenn es darum geht, ein anderes Land unter ähnlichen Voraussetzungen unter Druck zu setzen.

Es geht um den Iran. Im Gegensatz zum damaligen Saddam-Regime; im Gegensatz auch zu Indien, Pakistan und Israel - Unterzeichner des Nichtverbreitungsabkommens und eines Zusatzprotokolls, das spontane Kontrollen der Wiener Atomenergiebehörde IAEA ermöglicht.

Dieser Iran soll nun vor den UN-Sicherheitsrat zitiert werden. Frühestens im März, denn für jetzt reichten die Beweise gegen Teheran wohl nicht. Aber jetzt soll die IAEA schon einmal dem Sicherheitsrat Bericht erstatten. Und erklären, dass – so heißt es wörtlich in der Resolution – "die Behörde noch nicht (...) feststellen kann, dass es im Iran keine versteckten Nuklearmaterialien oder –aktivitäten gibt".

Weiter ist von Misstrauen die Rede und der Notwendigkeit, dass der Iran etwas dagegen unternehmen müsse. Sprich: Teheran solle als vertrauensbildende Maßnahme alle Aktivitäten einstellen, die mit Urananreicherung zu tun haben. Selbst wenn er als Signatar des Nichtverbreitungsabkommens ein Recht dazu habe.

Jetzt brauchen schon keine "Beweise" mehr gefälscht zu werden. Es reicht, einem Staat das Misstrauen auszusprechen. Selbst George W. Bush wäre auf solch eine Taktik nicht gekommen.

Als Lehrmeister in Diplomatie kann Europa aber trotzdem kaum empfohlen werden: Einmal outet es sich selbst als unzuverlässiger Partner: Eben noch erpicht auf das große Geschäft mit den Mullahs, und jetzt solch eine Misstrauenserklärung.

Zum Zweiten weiß Europa, dass der Gang zum Sicherheitsrat nichts bringt außer eigenem Schaden, wenn man nicht bereit ist, mögliche Sanktionen auch mit Gewalt durchzudrücken. Gewalt will man ja nicht anwenden in Europa – vielleicht einmal abgesehen von Frankreichs Chirac.

Vor allem aber: Drittens könnte Europa mit seiner Kursänderung den Weg verbaut haben zu größerer Transparenz um Irans Atomstrategie. Denn wer wollte Teheran übel nehmen, dass es nun in "Jetzt erst recht"-Haltung verfällt? Hoffnung gibt es – vielleicht – noch in Moskau: Die Russen halten ihr Kompromissangebot aufrecht, die Anreicherung für den Iran vorzunehmen. Moskau hatte zwar auch der Resolution vom Samstag zugestimmt, aber es sieht hier doch auch eine Chance, endlich wieder mal als Weltmacht ernst genommen zu werden.

Sei’ s drum: Vielleicht gelingt ja den Russen, was die Europäer so kläglich in den Sand gesetzt haben.