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Egoistische Neinsager

13. Mai 2015

Die EU-Kommission schlägt eine Quotenregelung bei der Verteilung von Flüchtlingen vor - und trifft auf geballten Widerstand. Doch ein solches System muss kommen, meint Christoph Hasselbach.

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sinkendes, überfülltes Flüchtlingsboot Foto: "OOC Opielok Offshore Carriers
Bild: OOC Opielok Offshore Carriers

Die Ablehnung kam, noch bevor die Kommission ihre Vorschläge überhaupt vorgelegt hatte. Eine ganze Reihe von Staaten gerät sofort in Panik bei der Vorstellung, sie müssten eventuell mehr Menschen aufnehmen. Dabei ist das bisherige so genannte Dublin-System faktisch zusammengebrochen. Danach muss ein Flüchtling in dem EU-Land seinen Asylantrag stellen, wo er den Boden der EU betritt.

Wegen ihrer geographischen Lage an den Mittelmeerrouten sind das vor allem Italien, Griechenland und Malta. In der Theorie müssten sich also einige wenige EU-Länder im Süden um fast sämtliche Asylanträge kümmern. Mit Recht haben sie sich dagegen gewehrt, während viele Staaten im Norden keinen Grund sahen, an den bestehenden Regeln etwas zu ändern.

Abschreckung durch schlechte Behandlung

Unter dem anwachsenden Flüchtlingsansturm sind dann einige besonders betroffene Staaten dazu übergegangen, das System zu unterlaufen. Italien hat Flüchtlinge bewusst nach Norden weitergeschickt - wo sie ohnehin meist hinwollten. Griechenland und Bulgarien haben Asylsuchende in Aufnahmelagern bewusst so schlecht behandelt, dass Hilfsorganisationen dringend davon abrieten, Flüchtlinge, die weiter Richtung Norden gezogen waren, dorthin zurückzuschicken. So wurden diese Länder für ihr schändliches Verhalten mit einem Rückgang der Asylanträge "belohnt".

Hier hätte die Kommission die Aufgabe gehabt, für eine Einhaltung der von allen vereinbarten Standards zu sorgen. Großbritannien und Irland wiederum halten sich dem Schengen-Raum fern und haben durch ihre Insellage noch eine weitere Barriere, um sich gegen nach Norden weiterreisende Flüchtlinge abzuschirmen.

Tschechien hat 70 Syrer aufgenommen

So kommt es, dass heute rund ein Dutzend EU-Länder drei Viertel aller Flüchtlinge aufnehmen. In absoluten Zahlen ist Deutschland Zielland Nummer eins, relativ zur Bevölkerung Schweden. Der Druck nimmt entsprechend zu, Flüchtlinge gerechter zu verteilen. Der Vorschlag der Kommission, dies entsprechend Bevölkerungszahl, Wirtschaftskraft und Arbeitslosigkeit in den einzelnen EU-Staaten zu tun, ist vernünftig.

Doch daraus wird wohl vorerst nichts. Großbritannien und Irland haben bereits Bedenken angemeldet, Dänemark, Polen, die baltischen Staaten, Ungarn, Tschechien und die Slowakei ebenso. Vielsagend sind einige Begründungen. So meinte der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka: "Die einzelnen Regierungen wissen am besten, was sie im Rahmen gemeinsamer Solidarität leisten können" - verbunden mit dem Hinweis, sein Land habe 70 Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Siebzig! Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban erklärte den ganzen Plan gleich für "verrückt" und meinte lakonisch, sein Land wolle keine multikulturelle Gesellschaft. Punkt. So einfach ist das für ihn.

Christoph Hasselbach Foto: DW/M.Müller
DW-Redakteur Christoph HasselbachBild: DW/M.Müller

Abschotten wollen alle

Einig sind sich alle Regierungen interessanterweise darin, dass die EU mehr gegen Schlepper vorgehen und Menschen vor dem Ertrinken retten müsse. In Wahrheit geht es allerdings weniger um Menschenleben als um Abschottung.

Die britische Innenministerin Theresa May sagt wenigstens ehrlich, die EU solle Flüchtlingsboote, die über das Mittelmeer kommen, nach Nordafrika zurückschicken - die australische Lösung, die nach Darstellung des australischen Premierministers Tony Abbott viele, viele Menschenleben "gerettet" hat. Jedoch in erster Linie viele, viele Asylsuchende von Australien abgehalten hat. Doch erstens kann sich Europa physisch nicht so leicht abschirmen wie Australien, und wäre zweitens eine solche Politik politisch auch nicht durchsetzbar.

Die Flüchtlingszahlen werden absehbar eher noch steigen. Die EU wird selbstverständlich nicht jeden aufnehmen können, der dies möchte. Sie wird mit einer Mischung aus repressiven, entwicklungspolitischen, aber auch humanitären Maßnahmen reagieren müssen. Doch egal wie - das Problem der Aufteilung bleibt. Sowenig es sein darf, dass allein die Geographie eines Landes darüber entscheidet, wie viele Menschen es aufnehmen muss, sowenig kann europäische Flüchtlingspolitik allein eine Frage der Großzügigkeit einzelner Länder sein.

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Christoph Hasselbach
Christoph Hasselbach Autor, Auslandskorrespondent und Kommentator für internationale Politik