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Politik

Ein bisschen nach rechts, bitte!

18. Oktober 2017

Die CSU will wieder rechter werden, die CDU überlegt gerade noch. Die Union hat ein Markenkern-Problem. Was ist an ihr noch konservativ? Eine Neujustierung ist überfällig, meint Volker Wagener.

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Berlin PK Merkel Seehofer Union einigt sich auf Kompromiss im Flüchtlingsstreit
Bild: picture-alliance/dpa/B. von Jutrczenka

Die Union hat Not. Mit schlechtem Ergebnis die Bundestagswahl gewonnen, ist sie gerade ein Fall für die Therapie. Wer ist sie und was will sie sein? Klassische Fragen für die Tiefenanalyse. Denn irgendetwas stimmt nicht mehr mit der Union. Sie ist nicht mehr das, als was sie jahrzehntelang galt: konservativ.

Es ergeht der Union gerade wie einer stets favorisierten Fußballmannschaft. Lange reiht sich ein Erfolg an den nächsten, die Zweikampfquote (mit dem politischen Gegner) ist hoch, die Laufwege (parteiinterner Friede) stimmen und auch an der Wahlurne (Merchandising) kommt ordentlich was auf die Waage. Aber die Meisterschaft aus eigener Kraft erringt man eben nicht mehr. In der Politik heißt das: Für eine Bundesregierung braucht man jetzt schon zwei Koalitionspartner - es geht abwärts mit der einzig verbliebenen Volkspartei.

Merkels Reise in die politische Mitte

Jahrelang hat Angela Merkel die Union als moderne, dezent konservative Sozialdemokratie geführt. Weil vor allem in der gesellschaftlichen Mitte Wahlen gewonnen werden, hat sie bis zur Profillosigkeit programmatisch bei der politischen Konkurrenz gewildert. Die SPD hat sie um das Soziale, die Grünen um das ökologische Tafelsilber erleichtert. Die Union war faktisch Staatspartei, Gralshüterin des europäischen Gedankens. Und in Person von Angela Merkel Widerstreiterin gegen Populismus und autokratische Staatschefs. Das alles bei andauernder Hochkonjunktur - so viel gesellschaftlicher Friede war lange nicht mehr im Land. Wer fragt in solchen Zeiten, ob die Regierungspartei konservativ ist?

Wagener Volker Kommentarbild App
DW-Redakteur Volker Wagener

Mit dem Eintreffen der Flüchtlinge kam dann auch noch eine moralische Kategorie ins Spiel. Merkels Politik der offenen Tür brachte den Deutschen international eine Imageaufwertung - und im Inland den Applaus von den anderen: den Grünen, den Linken, der Sozialdemokratie. Hingegen erst spät und sehr verhalten die Zustimmung aus den eigenen Reihen. Von der CSU sogar offener Protest.

Genau das ist das Problem. Merkels Union hat lange viele parteiübergreifend glücklich gemacht. Nur nicht die Kerntruppe der Konservativen: Jene nämlich, die von ihrer Regierung erwartet haben, dass sie die Grenzen genauso gründlich und gewissenhaft schützt, wie die Finanzämter eingereichte Steuererklärungen prüft oder die Politessen Falschparker belangen. Stattdessen wurde durchgewunken. Und die, denen man zu Gerhard Schröders Zeiten die betrübliche Nachricht überbrachte, dass das Arbeitslosengeld gestutzt werden müsse, die machen seit zwei Jahren die Erfahrung, dass sie "ihren" Sozialstaat nun mit den Flüchtlingen teilen sollen. Spätestens bei dem Thema ticken die "Konservativen" sowohl in der Union als auch bei den Sozialdemokraten anders: Flüchtlingen helfen, ja, aber die bitte nicht die eigene Bevölkerung vergessen.

Besinnung auf die Mehrheitsbevölkerung

Die Quittung kam am 24. September. Die Union ist um mehr als fünf Prozent leichter, die AfD um fast zehn Prozent schwerer. So viel scharf rechts vertragen die Deutschen weniger als andere Gesellschaften. Die Frage lautet: Wie will die Union die Rechtskurve hinkriegen und wieder zurückholen, was an die AfD und Nichtwähler verloren gegangen ist? Und vor allem: wie soll sich ein neuer Kurs weg von der Mainstream-Mitte vertragen mit dem, was längst Faktum ist: die Ehe für alle, Deutschland als Zuwanderungsland oder dass Muslime auch zu Deutschland gehören.

Die Merkel-Union hat rechts von ihr Raum gelassen. Den wieder zurück zu erobern gleicht der Quadratur eines Kreises. Denn die Partei ist ein Abbild der Mitte der deutschen Gesellschaft und die steht links von der AfD. Vergleiche mit Österreich hinken. Bei einer inzwischen zur Volkspartei empor gewachsenen FPÖ konnte Sebastian Kurz nur mit rhetorisch hart rechten Parolen punkten. Trotz AfD muss die Union soweit nicht gehen, um Konservative wieder zurück zu gewinnen.

Wie sie das in einer Jamaika-Koalition erreichen will, bleibt Merkels Geheimnis. Aber sie weiß ja sowieso nicht, warum und was man hätte anders machen sollen.

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Volker Wagener Redakteur und Autor der DW Programs for Europe