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Kommentar: Eine Chance für Serbien

Verica Spasovska22. Februar 2006

Spekulationen um die bevorstehende Festnahme Mladics und der Auftakt der Kosovo-Gespräche beweisen zumindest eines: In Serbien scheint es Bewegung zu geben.

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Zuckerbrot und Peitsche haben sich in den vergangenen Jahren schon oft als Instrument bewährt, starre Fronten in Serbien aufzuweichen. Auch diesmal ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis einer der meistgesuchten serbischen Kriegsverbrecher ausgeliefert wird. Elf Jahre konnte der ehemalige General Mladic - in Den Haag angeklagt wegen zweifachen Völkermordes - seinen Häschern entkommen, weil der politische Wille fehlte, ihn an das Tribunal auszuliefern. Jetzt zieht sich die Schlinge zu.

Bedingungen gekoppelt

Und das nicht zuletzt deshalb, weil die Europäische Union die am Mittwoch (22.2.) stattfindenden Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit Serbien an die Bedingung gekoppelt hat, den Ex-General auszuliefern. Will Serbien den Kandidatenstatus für einen EU-Beitritt erhalten, dann muss die Regierung beweisen, dass es mit dem Kriegsverbrechertribunal zusammenarbeitet.

Würde Mladic endlich ausgeliefert, wäre dies nicht nur ein Triumph für die Ermittler, sondern vor allem eine große Genugtuung für die Opfer: für die Angehörigen der 8000 ermordeten Männer und Jungen in Srebrenica und der 10.000 Zivilisten, die während der Belagerung von Sarajevo durch feige Scharfschützen ums Leben kamen. Die Auslieferung von Mladic würde aber auch der serbischen Regierung den Weg für ein neues Kapitel der Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft eröffnen.

Warum jetzt?

Warum kommt die (vermutlich bevorstehende) Auslieferung zu diesem Zeitpunkt? Mladic hat in den vergangenen Monaten rapide an öffentlicher Unterstützung verloren. Als im vergangenen Sommer serbische Medien ein Video mit Aufnahmen von einer kaltblütigen Erschießung von bosnischen Männern durch serbische Sicherheitskräfte veröffentlichten, war klar, dass Mladic und seine Männer den Nimbus des serbischen Helden nicht mehr aufrechterhalten konnten. Würde Mladic nun festgenommen, würde dies Umfragen zufolge weit mehr als die Hälfte der serbischen Öffentlichkeit begrüßen. Für Regierungschef Vojislav Kostunica, der die Auslieferung von Milosevic an das Haager Tribunal noch als "Verrat" kritisiert hatte, bietet sich nun die Möglichkeit seine politische Reife unter Beweis zu stellen, in dem er im Dienste seines Landes einen großen Sprung über seinen eigenen Schatten tut.

Auch ein anderer gordischer Knoten beginnt sich allmählich zu entwirren: Die Auftaktrunde der Verhandlungen über die Zukunft des Kosovo ist in guter Atmosphäre verlaufen. Im Grundsatz bleiben zwar beide Seiten bei ihren unvereinbaren Maximalforderungen, - die Albaner fordern die volle staatliche Unabhängigkeit, während die Serben lediglich eine weitreichende Autonomie anbieten. Doch die Tatsache, dass die Gespräche überhaupt aufgenommen wurden, mit dem Ziel bis Jahresende eine Lösung für beide Seiten zu finden, ist ein gutes Zeichen, dass Bewegung in die festgefahrenen Fronten kommt. Gut möglich, dass die Gespräche auf einen Kompromiss hinauslaufen, der keine volle Unabhängigkeit für das Kosovo vorsieht, sondern eine langfristige Präsenz der internationalen Gemeinschaft, die gewährleisten muss, dass die serbische Minderheit vor Übergriffen geschützt wird.

Ende in den Sternen

Mit Spannung richten sich die Blicke auch nach Montenegro. Dort wird das montenegrinische Parlament, in dem die Befürworter der Unabhängigkeit die Mehrheit haben, zweifellos für die Durchführung des Referendums Ende April stimmen. Doch angesichts der tiefen Spaltung der montenegrinischen Bevölkerung über diese Frage, steht das Ergebnis über das Ende des umstrittenen Zweckbündnisses mit Serbien in den Sternen.

Auch wenn solche Kleinstaaterei der EU zur Zeit gar nicht ins Konzept passt, weil sie einen Präzedensfall für andere Regionen befürchtet, wird sie das Resultat wohl oder übel akzeptieren müssen. Denn es ist das Ergebnis der Spielregeln, die sie mit ihrer politischen Intervention vor sieben Jahren selbst aufgestellt hat.