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Literatur

Eine idiotische Entscheidung

Toma Tasovac1. Juni 2006

Mit ihrer Entschlossenheit, die Vergabe des Heinrich-Heine-Preises an Peter Handke zu verhindern, blamieren sich deutsche Politiker kräftig - und beschädigen die Grundlagen demokratischer Kultur, meint Toma Tasovac.

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Umstrittener Autor: Handke (r.) mit HeineBild: Fotomontage/dpa/DW

Als Peter Handke 2003 einen Ehrendoktortitel der Universität Salzburg erhielt, versprach er, sich aus dem öffentlichen Leben zurückzuziehen. "Das ist das letzte Mal, dass ich mein Idiotentum öffentlich zeige", sagte Handke. "Ab jetzt könnt ihr mich vor Gericht bringen, wenn ich noch einmal im Leben öffentlich auftreten soll."

Es ist wirklich nicht leicht, den österreichischen Schriftsteller Handke zu lieben. Er hält auch seine Versprechen nicht. Handke zeigte sein "Idiotentum" mindestens noch einmal: Am 18. März 2006 zum Beispiel. Da stand er am Grab des ehemaligen serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic und nahm Teil an einer der bizarrsten Beerdigungen aller Zeiten: Ein gescheiterter Opportunist, der seine eigene Nation ruinierte und Tod und Verderben über andere brachte, wurde in seinem eigenen Garten begraben. Die ganze Welt konnte zuschauen, wie der gefeierte österreichische Autor wie ein Hofnarr dabei stand.

Auf jeden Fall unzumutbar

Wenn Handke sich einen Idioten nennt, meint er nicht, er sei geistig minderbemittelt. Handke meint die ursprüngliche, altgriechische Bedeutung des Wortes: idiotes. Diese Idioten lebten damals zurückgezogen am Rand der menschlichen Ansiedlungen. Ihre politischen Fehlurteile machte sie zu Außenseitern. Sie waren nicht notwendigerweise blöde, aber auf jeden Fall unzumutbar - man wollte mit ihnen nichts zu tun haben.

Was jetzt gerade in Deutschland passiert, ist ebenso empörend wie idiotisch - in fast jedem Sinn des Wortes. Eine unabhängige Jury vergibt einen der renommiertesten Preise an einen der berühmtesten - und schwierigsten - Autoren, den die deutsche Sprache heute hat. Der Oberbürgermeister von Düsseldorf ruft ihn persönlich an, um zu gratulieren. Der Schriftsteller freut und bedankt sich. Doch dann empört sich das politische Establishment, weil das literarische Genie ein politischer "Idiot" ist. Ein Festtag für die Medien.

Verkörperung des Bösen

Unter dem Druck der Kritik knickt ein Jury-Mitglied ein und distanziert sich öffentlich von dem problematischen Autor - wohlgemerkt nachdem der Preisträger verkündet war. Dadurch ermutigt, stimmten andere Politiker ein. Und übertrieben dabei so maßlos, dass der Autor plötzlich wie eine Verkörperung des Bösen schien, wie der Teufel mit österreichischem Akzent.

Handke gab immerhin zu, dass er ein Idiot war. Die beteiligten Politiker aber sollten zumindest einen Moment darüber nachdenken, was sie da gerade angerichtet haben. Durch ihre Bereitschaft, die Entscheidung einer unabhängigen Jury rückgängig zu machen, haben sie nicht nur ihren eigenen Ruf, sondern auch den Heinrich-Heine-Preis selbst schwer beschädigt.

Besser zwei Mal überlegen

Wer diesen Preis als nächster erhalten soll, der sollte zwei Mal darüber nachdenken, bevor er ihn akzeptiert - wenn der Preis bis dahin nicht in Heinrich-Heine-Preis für Political Correctness umbenannt wird.

Im Ernst: Wer braucht schon Literatur, Literaturkritiker und Philosophen, wenn Kommunalpolitiker es ohnehin besser wissen?