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Politik

Macron, Europas neuer Anführer

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Max Hofmann
16. April 2018

Parallel zu den Raketenangriffen auf Syrien startet der französische Präsident eine mediale Offensive. Macron ist der neue Leitwolf der Europäischen Union, meint Max Hofmann.

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Frankreich Präsident Emmanuel Macron - Interview für RMC-BFMTV - Paris
Emmanuel Macron stellte sich am Sonntag einem langen Interview im französischen FernsehenBild: picture-alliance/abaca/E. Blondet

Er selbst habe den US-Präsidenten Trump überzeugt, den Vergeltungsschlag für die Giftgas-Attacke in Duma zu starten, meinte Macron. Es war das zweite große Interview des französischen Präsidenten in einer denkwürdigen Woche. Ganz sicher wollte er nicht so dastehen wie sein Vorgänger Hollande, der 2013 alles vorbereitet hatte, um mit den Amerikanern in den Krieg zu ziehen. Schon damals wütete das Assad-Regime mit Giftgasangriffen in Syrien. Aber Trumps Vorgänger Obama machte damals in letzter Sekunde einen Rückzieher. Der Franzose fühlte sich verraten.

Diesen Eindruck konnte Macron nun vermeiden. Auch wiederholte er nicht den Fehler Obamas, eine rote Linie zu ziehen, bei deren Überschreitung aber nicht zu handeln. Ob das der richtige Weg ist, um die Lage in Syrien zu verbessern, bleibt fraglich. Aber klar ist: Der französische Präsident steht nun als handlungsstarker Staatsmann da. Einer der tut, was er ankündigt. Aber er muss auch feststellen, dass man als Leitwolf in der EU - vor allem bei Fragen von Krieg und Frieden - recht schnell verdammt alleine dastehen kann.

Einer, der versucht etwas zu tun

In der am Montag verabschiedeten Stellungnahme der europäischen Außenminister stehen viele bekannte Vorschläge: humanitärer Zugang, Waffenstillstand, politische Lösung. Fehlt nur noch die Forderung nach einer No-Fly-Zone. Dann könnte man nämlich sagen, die Europäer haben gerade alle Konzepte wieder hervorgeholt, die schon vor Jahren auf dem Tisch lagen. Inzwischen wissen wir: Das hört sich alles friedliebend und konstruktiv an, für die Menschen in Syrien wird es aber keinen Unterschied machen. Der Westen hat versagt und Macron weiß das. Zumindest aber will er den Eindruck vermitteln, hier in Europa gibt es einen, der versucht, wenigstens jetzt endlich etwas zu tun. Dafür nutzt er alle verfügbaren Bühnen.

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Max Hofmann, DW-Studioleiter in Brüssel

Neben den beiden mehrstündigen Interviews der vergangenen Tage wird Macron am Dienstag eine Rede zur Zukunft der EU vor dem Europäischen Parlament halten. Am Donnerstag trifft er sich dann auch noch mit der deutschen Kanzlerin in Berlin. Er möchte sie schließlich nicht außen vor lassen. Ganz einfach ist das allerdings nicht. Der Franzose ist zur Zeit derart präsent auf allen Kanälen, dass er sich zuweilen richtig abmühen muss, um den Eindruck eines engen deutsch-französischen Zusammenspiels zu wahren. Das war schon während der ungewöhnlich langen Regierungsbildung in Berlin so. Aber wenn es um militärische Fragen geht, ist Deutschland fast schon automatisch raus.

Das gilt übrigens für das Gros der EU-Staaten. Trotz aller Pläne für eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik - bei Fragen von Angriff und Verteidigung ist jedes Land nach wie vor auf sich allein gestellt. Das zeigt auch die gemeinsame Stellungnahme der EU-Außenminister: Die Unterstützung für die Luftangriffe fällt auffällig zurückhaltend aus. Es ist wie immer: Für die militärische Drecksarbeit sind in der Regel nur Frankreich und Großbritannien zuständig. Alle anderen Länder haben weder den Willen noch die technischen Möglichkeiten, um Angriffe wie am vergangenen Samstag in Syrien zu fliegen. Viele werden das gut finden. Um auf internationaler Bühne ernst genommen zu werden, taugt es aber nicht.

Die Leichtigkeit ist weg

Neben Tatendrang, Charisma und weitreichenden Befugnissen hat der französische Präsident also als einer der wenigen in Europa auch noch die militärische Potenz, um sich global Gehör zu verschaffen. Was Deutschland unternimmt, ist in wirtschaftlichen Fragen zweifellos eminent wichtig. Beim Syrien-Konflikt spielt das Land von außen betrachtet allerdings keinerlei Rolle. Für die EU als Ganzes mag solch eine Rollenverteilung funktionieren, für das interne Machtgefüge zwischen Paris und Berlin aber hat es Konsequenzen. Macron hat gezeigt, dass es ihm bitterernst ist mit seinen Ansagen. Raketen abzufeuern ist etwas anderes, als einen europäischen Finanzminister einzufordern. Damit streift Macron endgültig jene jugendliche Leichtigkeit ab, die ihn im vergangenen Jahr auch zum Wahlsieg getragen hatte.

Die Europäische Union und die Welt sieht nun einen neuen französischen Präsidenten: ernüchtert, ernster, entschlossener. Macron, die Autorität, der Oberbefehlshaber. Damit wächst er nun auch zu jenem Staatschef, auf den seine EU-Kollegen als erstes schauen. Vielleicht nicht bei allen Fragen, aber gewiss bei sehr vielen und vor allem bei den außenpolitischen. Das hat für ihn nicht nur Vorteile: Ein Anführer ist zwar einer, dem viele andere gerne folgen. Er ist aber auch einer, hinter dem sich viele gerne verstecken.

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Max Hofmann Leiter der Hauptabteilung Nachrichten@maxhofmann