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NATO setzt "partnering" aus

Sandra Petersmann20. September 2012

Die NATO hat ihr "Partnering" mit afghanischen Sicherheitskräften stark eingeschränkt, temporär, wie es heißt. Doch es gibt keinen Vertrauens-Schalter zum Ein- und Ausschalten, meint Sandra Petersmann.

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Sandra Petersmann, Neu Delhi

Sie haben den Vertrauensschalter umgelegt – aus Angst um die eigenen Soldaten; und aus Angst vor den afghanischen Verbündeten. Die US-Generäle an der Spitze der NATO-Truppen in Afghanistan haben entschieden, dass das Partnering bis auf weiteres nur noch ab Bataillonsstärke stattfinden soll – ab 800 Mann aufwärts. Im Klartext heißt das: keine routinemäßigen Patrouillen und keine Operationen in gemischten, kleinen Einheiten mehr – es sei denn, es gibt für den Einzelfall eine ausdrückliche Genehmigung von oben.

Das ist eine radikale Kehrtwende. Das ist die Abkehr von einem als "alternativlos" gehuldigten Prinzip. Denn das Partnering – also das gemeinsame Kämpfen und Trainieren im Feld und das Zusammenleben in gemeinsamen Stützpunkten – dieses Partnering ist das Herzstück des westlichen Abzugsplans. Auf jedem Gipfeltreffen, in jeder Presseerklärung, in jedem Interview, war das partnering-Konzept das unantastbare Credo. Schulter an Schulter mit ihren NATO-Partnern, so hieß es gebetsmühlenartig in der Allianz, sollten die afghanischen Sicherheitskräfte den radikal-islamischen Feind bekämpfen lernen. Vom General bis zum einfachen Fußsoldaten. Um sicherzustellen, dass die afghanischen Lehrlinge 2014 auch in der Lage sind, die heimkehrenden westlichen Kampftruppen zu ersetzen.

Zahl der Insider-Attacken steigt

Doch die Realität hat das Herzstück eingeholt. In diesem Jahr sind bereits mehr als 50 Soldaten der ISAF durch Afghanen in Uniform getötet worden – so viele wie niemals zuvor. In rund 25 Prozent der Fälle lassen sich nach NATO-Angaben Verbindungen zu den Taliban nachweisen, doch auch persönliche Motive spielen bei den Insider-Attacken eine große Rolle. Es gibt kulturelle Missverständnisse beim Ausgeben und Akzeptieren von Befehlen. Es geht um Familienschicksale, um zivile Opfer. Und auch die afghanischen Soldaten leiden unter der permanenten Belastung des Krieges, unter post-traumatischen Störungen.

Hinzu kommt ein punktuell auflodernder, diffuser Hass auf den Westen - angefacht durch Koranverbrennungen, durch Mohammed-Karikaturen, durch ein anti-islamisches Schmähvideo. Es kommt erschwerend hinzu, dass weniger als 30 Prozent der afghanischen Sicherheitskräfte lesen oder schreiben können, viele sind empfänglich für Gerüchte und Verschwörungstheorien. Die NATO-Befehlshaber sehen sich gezwungen, ihren afghanischen Partnern das Vertrauen zu entziehen. Alle Sicherheitsmaßnahmen seien temporär, wie in einer Klarstellung betont wird, man stelle mitnichten das Partnering-Konzept als Ganzes in Frage.

Politische Versäumnisse

Doch es gibt keinen Vertrauensschalter, den man beliebig oft an- und ausschalten kann. Das Signal an die afghanischen Soldaten und Polizisten ist verheerend. Sie müssen jetzt überwiegend alleine auf Patrouille gehen, ohne die Gewissheit, dass ihnen ihre westlichen Partner helfen, wenn sie in Gefahr geraten oder verwundet werden. Die Abkehr vom Partnering zeigt das ganze Dilemma der westlichen Intervention in Afghanistan: Soldaten können nicht im Rekordtempo wiedergutmachen, was politisch über viele Jahre versäumt worden ist, weil der Irak wichtiger war.