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Kommentar: Europa ist in der Pflicht

Cornelia Rabitz 24. März 2006

Nach der Aktion der weißrussischen Polizei gegen die Bürgerproteste muss Europa ein starkes Signal senden, meint Cornelia Rabitz in ihrem Kommentar.

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Das Lager wurde geräumtBild: AP

Schon vor dem Wahltag am 19. März hatte Präsident Alexander Lukaschenko für den Fall von Kundgebungen mit Vergeltung gedroht. Und sein Geheimdienstchef hatte erklärt, Demonstranten würden als Terroristen verfolgt. Nun also werden die Ankündigungen der Staatsmacht in die Tat umgesetzt. Es braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wie die Situation der Festgenommenen ist, die sich jetzt im Gefängnis für politische Häftlinge befinden.

Stillstand und Repression

Oppositionsführer Alexander Milinkewitsch, der sich immer wieder auf dem Oktoberplatz aufgehalten und die Wiederholung der unfair verlaufenen Wahl gefordert hatte, ist nicht unter den Inhaftierten. Er hat für Samstag (24.3.) erneut zu einer Kundgebung aufgerufen. Angesichts der nächtlichen Vorfälle muss man dafür freilich das Schlimmste fürchten.

Es gibt nur wenige Möglichkeiten, von außen Einfluss auf die deprimierende Lage in Weißrussland zu nehmen. Und natürlich spekuliert der unter zweifelhaften Umständen wieder gewählte Präsident Lukaschenko darauf, dass das Interesse des Westens an seinem Land nun bald abnehmen wird. Der Staatschef beginnt seine dritte Amtszeit, es herrschen Stillstand und Repression, in einem regelrechten medialen Trommelfeuer wird den Menschen suggeriert, die Demonstranten stünden für Unordnung, Anarchie und Schmutz. Die wenigen Mutigen, die sich diesen Tendenzen öffentlich entgegenstellen, werden diffamiert und kriminalisiert. Und dennoch: Das demokratische Europa ist jetzt gefordert. Es muss mehr geben als Empörung und Resolutionen. Ein deutliches Signal ist notwendig.

Möglichkeiten der EU

Die Staats- und Regierungschefs der EU scheinen dazu nun endlich bereit. Beim Gipfeltreffen in Brüssel kritisieren sie den Verlauf der weißrussischen Präsidentschaftswahl und sie sprechen auch die Möglichkeit restriktiver Maßnahmen an, darunter Reisebeschränkungen für die Verantwortlichen.

In der Tat gibt es dazu einen ganzen Katalog von Möglichkeiten. So könnte man den Visa-Bann nachhaltig ausweiten und Einreiseverbote aussprechen, nicht nur für die Spitzen, sondern auch für Funktionäre, Juristen und Beamte, kurz für alle jene, die den autoritären Staat stützen und dazu beitragen, das Regime am Leben zu halten. Ausländische Konten von Regime-Funktionären könnten gesperrt werden. Freilich müsste es auch Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen in Weißrussland und für unabhängige Medienprojekte geben. Stipendienprogramme und Reisemöglichkeiten für Studenten können dafür sorgen, dass junge Leute Kontakte knüpfen und andere Informationen bekommen als die aus den staatlich kontrollierten Medien ihres Heimatlandes.

Die Opposition nicht vergessen

Ganz besonders aber muss Europa dazu beitragen, dass die weißrussische Opposition nicht in Vergessenheit gerät. Dazu hat jetzt auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier aufgerufen. Der Kontakt zu dem mutigen, integren Milinkewitsch und anderen demokratischen Politikern darf nicht abreißen. Jetzt sollten Einladungen in die europäischen Hauptstädte und in die Parlamente folgen. Immer wieder müssen der Führung in Minsk ihre demokratischen Defizite vorgehalten werden.

Und dann wäre da noch Russland, das die Ergebnisse der unfairen Präsidentenwahl im Nachbarland freundlich begrüßt hat. Russland hält den undemokratischen Nachbarn mit billigen Gaslieferungen wirtschaftlich am Leben. Solange Präsident Lukaschenko solch einen Verbündeten hat, muss er sich wahrlich keine großen Sorgen machen. Die internationale Gemeinschaft freilich sollte Wladimir Putin daran erinnern, wie viel ihm an weltweiter Achtung und Wertschätzung liegt. Und dass er dazu selbst einiges beitragen kann.