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Kommentar: Familie ist weder Luxus noch spießig

Uta Thofern21. Januar 2006

Mit der neuen Regierung ist Familienpolitik zum Gesprächsthema der Republik geworden. Damit hat Familienministerin von der Leyen ihre erste Schlacht schon gewonnen, meint Uta Thofern.

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Familien mit Kindern immer seltenerBild: dpa - Bildfunk

Mitten im Sturm sieht sie sich, und "geradlinig durchhalten" will sie den Wirbel, den sie ausgelöst hat. Ursula von der Leyen ist zuzutrauen, dass sie das schafft, schließlich ist die Debatte als solche schon ein Punktsieg. Jenseits aller Profilierungsversuche beider Koalitionsparteien hat die Familie es geschafft, sich dauerhaft einen Platz am oberen Ende der politischen Werteskala zu erobern.

Diese - positive - Entwicklung ist natürlich nicht nur von der Leyens Hartnäckigkeit und Angriffslust zu verdanken. Die Erkenntnis, dass Familienförderung schlichte Notwendigkeit ist, sickerte spätestens seit den regelmäßigen Alarmmeldungen über die Lage der Rentenkasse in die Bewusstseinsschichten neoliberaler Marktpolitiker ebenso wie libertinärer Verfechter eines individualistischen Gesellschaftsmodells. Familie ist weder Luxus noch spießig - so weit sind wir schon länger.

Wettstreit um die beste Familienpolitik

Die Pisa-Studie zum Bildungsniveau in Deutschland tat ein Übriges, um den Prozess zu verstärken. Kinderförderung ist auch Bildungsförderung, ein Hochtechnologieland kann es sich nicht leisten, den Nachwuchs zu vernachlässigen. Auch das ist nicht neu.

Was der aktuellen Debatte ihren Charme verleiht, ist die Abkehr von traditionellen familienpolitischen Reflexen der beiden großen Parteien. Befördert vom parteipolitischen Wettstreit ist endlich ein Wettbewerb um die besten Ideen entstanden. Der erbitterte Streit um Einzelheiten des Familienförderungsprogramms ist ein Beleg dafür, dass in der Familienförderung ein Paradigmenwechsel eingesetzt hat, der die Traditionsbataillone auf die Barrikaden treibt.

Kita und Computer

Immerhin hat die Koalition in dieser Woche beschlossen, die Berufstätigkeit von Müttern zu fördern. Die Kosten für Kinderbetreuung können genauso von der Steuer abgesetzt werden wie der Kauf des neuen Computers, als Aufwendung zur Unterstützung der Erwerbstätigkeit.

Vom althergebrachten Familienbild der Union ist das ebenso weit entfernt wie von der klassischen Verteilungspolitik der Sozialdemokraten, denn einkommensstarke Familien werden davon in absoluten Zahlen mehr profitieren. Das gilt auch für das einkommensabhängige Elterngeld, das nichts anderes ist als eine Lohnersatzleistung, die bei höherem Einkommen auch höher ausfällt.

Damit ist die Familienpolitik des Bundes zum ersten Mal aus der Nische der Sozial- und Symbolpolitik heraus- und auf der Ebene der Realpolitik angekommen, wo Ergebnisse zählen, nicht gute Absichten.

Es geht um mehr als ein paar Euro Kindergeld

Familienministerin von der Leyen hat sich pragmatisch und realistisch angesehen, warum so viele gut ausgebildete Frauen auf Kinder verzichten. Da geht es eben nicht um zehn oder zwanzig Euro mehr Kindergeld für alle, sondern um Möglichkeiten, im konkreten Einzelfall Beruf und Familie miteinander zu vereinen, ohne den hart erarbeiteten Lebensstandard dauerhaft zu gefährden.

Für eine erfolgreiche Akademikerin ist die schwache Aussicht auf einen schlecht bezahlten Halbtagsjob, der sich vielleicht mit den Öffnungszeiten des örtlichen Kindergartens vereinbaren lässt, entmutigend. Die privat finanzierte Ganztagsbetreuung bietet zumindest die Chance, den beruflichen Anschluss nicht zu verpassen, auch wenn die steuerliche Absetzbarkeit die Kosten nur dämpft, nicht auffängt.

Die neuen Ansätze des Familienpaketes sind innovativ und richtig, ebenso wie von der Leyens frecher Vorstoß, die Kommunen zu einem eigenen Beitrag aufzufordern. Kostenfreie Kindergärten sind nicht finanzierbar? Vielleicht müssen nur die Prioritäten anders gesetzt, Standortfaktoren neu definiert werden. Denkverbote und kleinkarierte Detailkritik helfen jedenfalls nicht.