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Kommentar: Fragwürdiger Einsatz für die Meinungsfreiheit

Miodrag Soric2. Februar 2006

Natürlich ist die Presse- und Meinungsfreiheit ein hohes Gut - aber muss man den antiwestlichen, fundamentalistischen Kräften in der islamischen Welt mutwillig Munition für ihre Propaganda an die Hand geben?

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Hand auf's Herz: Welcher gläubige Christ fühlt sich nicht verletzt, wenn Karikaturisten Gottes Sohn in Zeichnungen verspotten? Ähnlich geht es jetzt vielen Muslimen. Sie beklagen zu Recht, dass eine dänische Zeitung sich über ihren Propheten Mohammed lustig gemacht hat. Allerdings rechtfertigt dies nicht Morddrohungen gegen den Karikaturisten. Wer sich im Westen diskriminiert oder beleidigt fühlt, dem steht der Rechtsweg offen.

Noch ist die - westliche - Idee des Säkularismus, der Trennung von Staat und Religion, der islamischen Welt fremd. Das ist einer der Gründe, weshalb derzeit die Wellen des Protestes vor allem aus arabischen Ländern gegen die Provokation in Dänemark hoch schlagen.

Sicher ist die Presse- und Meinungsfreiheit in Europa ein hohes Gut. Sie gehört zu den Grundfesten des christlichen Abendlandes. Bleibt die Frage: Wie weit darf diese Meinungsfreiheit gehen? Anders formuliert: Wo ist die Grenze zwischen Satire und Gotteslästerung?

Ein Däne wird sie an einer anderen Stelle ziehen als ein gläubiger Araber. Ein Däne - so wie viele Europäer - hat sich daran gewöhnt, dass sich Anders- oder Ungläubige mit religiösen Symbolen auseinandersetzen, auch in Karikaturen oder Satiren. Einem gläubigen Muslim ist diese Form der Auseinandersetzung fremd.

Anders als vor dem 12. Jahrhundert ist im heutigen Islam die bildhafte Abbildung des Propheten grundsätzlich verboten. Bilder des Propheten, gar solche, die den Religionsstifter herabsetzen, empfindet ein gläubiger Araber als Beleidigung all dessen, was ihm heilig ist, als Verunglimpfung seines Lebenszieles.

Genau darum aber, also um die Herabsetzung eines fremden Glaubens, ging es den dänischen Karikaturisten und der Zeitung, die sie druckte, gewiss nicht. So viel zu ihrer Verteidigung. Allerdings bleibt der Vorwurf, gedankenlos und leichtfertig religiöse Gefühle verletzt zu haben.

Mit der Veröffentlichung der Karikaturen hat die dänische Zeitung "Jyllands-Posten" der Idee der Meinungsfreiheit einen Bärendienst erwiesen. Denn auch in den Pressegesetzen westlicher Staaten ist klar geregelt, dass bei Veröffentlichungen auf die religiösen Gefühle der Menschen Rücksicht genommen werden muss. Wenn aus dem Streit um die dänischen Karikaturen etwas gelernt werden kann, dann vor allem der respektvolle Umgang miteinander.

In vielen Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung nutzen Ewiggestrige die Empörung über die Karikaturen für ihre Zwecke. Einen Dialog mit dem Westen lehnen sie seit jeher ab. Die Veröffentlichung der Karikaturen ist für sie ein vermeintlicher Beweis für die islamfeindliche Haltung des Westens. Das ist Unfug. Millionen von Muslimen leben in Europa friedlich zusammen mit Christen. Der Alltag gestaltet sich in der Regel problemlos. Allein das ist für viele Islamisten eine Provokation - im Unterschied zu jenen fragwürdigen Zeichnungen jedoch eine heilsame Provokation.