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Frankreichs Unfähigkeit zur Reform

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
21. Juli 2016

Die französische Regierung hat endlich ihre Arbeitsmarktreform durch das Parlament gebracht - weil nämlich nicht abgestimmt wurde. Doch das neue Gesetz ist zahnlos und den Aufwand nicht wert, meint Barbara Wesel.

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Frankreich Blockade in Douchy les Mines
Wochenlang protestierten die Gewerkschaften in Frankreich gegen die ReformBild: picture alliance/NurPhoto/J. Pitinome

Monate der Straßenproteste, des innerparteilichen Streits bei der sozialistischen Regierungspartei, der Blockade durch die Opposition - am Ende kreißte in Frankreich der gesetzgeberische Berg und gebar eine Maus. Und sogar das ist noch übertrieben: Was bei den chaotischen Versuchen herauskam, den verkrusteten französischen Arbeitsmarkt zu reformieren, ist bestenfalls ein Floh. Eine ganz kleine Gesetzesänderung, die weder neue Arbeitsplatze noch mehr Flexibilität schaffen kann.

Was steht eigentlich noch drin?

Die französischen Gewerkschaften haben seit dem Frühjahr mit Streiks und zum Teil gewalttätigen Protesten alles getan, um Präsident Hollande auszubremsen. Aber sie gaben dessen zaghaftem Reformversuch eigentlich nur den Rest. Den Hauptteil hatte schon zuvor die Regierungspartei selbst erledigt, deren linker Flügel so lange auf Verwässerung des reformierten Gesetzes beharrte, bis diesem sämtliche Zähne gezogen waren.

Selbst danach sah der Präsident sich noch gezwungen, die Reform ohne Abstimmung durch das Parlament zu zwingen. Das ist nach französischem Recht möglich, aber ein dramatisches Zeichen für die Schwäche der Regierung. Und am Ende weiß eigentlich niemand mehr genau, was in dem Gesetz noch drinsteht. Die 35-Stunden-Woche wird ein klein wenig erweitert, der Kündigungsschutz etwas gelockert, innerbetriebliche Vereinbarungen gelegentlich ermöglicht. Die Arbeitgeber selbst wollen die Reform inzwischen nicht mehr, denn sie machten die ohnehin schon komplizierten Regeln nun noch unübersichtlicher.

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Barbara Wesel ist Korrespondentin in Brüssel

Die Malaise der französischen Linken

Hinter der fehlgeschlagenen Arbeitsmarktreform steckt ein tieferes Problem. Die linken französischen Gewerkschaften kennen keine Sozialpartnerschaft, sondern nur den Kampf - und zwar den für ihre Mitglieder. Sie vertreten zwar längst nur noch eine Minderheit, sind aber immer noch fähig, die Regierung einzuschüchtern. Ihre Klassenkampfrhetorik klingt wie in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Aber sie haben nach wie vor Unterstützer auf dem linken Flügel der Sozialisten.

Beide machen sich das Leben leicht: Anstatt nachzudenken, wie man Globalisierungs- und Wettbewerbsdruck mit guten Sozialstandards vereinbaren kann, kämpfen sie für das reine "Weiter so!" Wenn nicht genug Arbeitsplätze da sind, dann müsse eben der Staat welche schaffen. Und wenn der den aufgeblähten öffentlichen Dienst nicht mehr bezahlen kann, soll er mehr Schulden machen - und dann? Diese letzte Frage wird jedoch von den Dogmatikern nie beantwortet.

Die Sozialisten schaffen sich selbst ab

Die traditionelle Linke in Frankreich schafft sich dieser Tage selbst ab. Sie wird bei der nächsten Wahl dröhnend untergehen, denn die Regierung Hollande hatte den Auftrag, das Land zu verändern. Und das ist ihr nicht gelungen. Das liegt auch daran, dass die Partei und ihre Unterstützer zerstritten sind und sich bekämpfen bis aufs Blut. Die ideologiegetriebenen Realitätsverweigerer in ihren Reihen treiben die Sozialisten dazu, politischen Selbstmord zu begehen aus Angst vor dem Tod. Ähnliches ist übrigens gerade bei der Labour Party in Großbritannien zu beobachten.

Francois Hollande ist ein schwacher Präsident, auch weil er seine eigene Partei nicht einen konnte. Bei der nächsten Wahl kommt die Rechte ans Ruder, und Frankreich kann von Glück sagen, wenn es die konservativen Republikaner sind, und nicht der Front National. Die französische Linke bekommt dann vielleicht eine letzte Chance sich zu modernisieren - oder sie wird untergehen. Und helfen können dabei weder der Brite Jeremy Corbyn noch Bernie Sanders in den USA. Die Männer von gestern haben leider keine Antworten auf die Fragen von heute.

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