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Eine schrecklich nette Familie in der Zwickmühle

26. Mai 2016

Krisen haben Konjunktur - weltweit. Spannungen mit Russland und China inklusive. Beim G7-Gipfel in Japan gibt es genug Themen. Michaela Küfner meint, die Staatsführer müssen mehr tun, als nur in die Kameras zu lächeln.

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Gruppenfoto der G7-Chefs (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Es gibt keinen Zweifel daran, dass Barack Obama der unbestrittene Star des diesjährigen G7-Treffens ist. Seine Ankündigung, Hiroshima besuchen zu wollen, stahl den G7 die Schau. Obama kam in dem Wissen nach Japan, dass er Geschichte schreiben würde - einfach indem er in Hiroshima an ein Podium treten wird. Mit diesem Schritt wird er der erste amtierende US-Präsident werden, der in die Stadt kommt, die 1945 von der ersten Atombombe der US-Amerikaner zerstört wurde. Er wird sich nicht entschuldigen, das hat er vorher verdeutlicht. Aber egal, was er sagen wird: Er wird mit Sicherheit in die nächsten Ausgaben der US-amerikanischen und japanischen Geschichtsbücher eingehen. Nicht schlecht für einen Präsidenten am Ende seiner Zeit.

Unabhängig davon wie sehr Obama darauf aus ist, sein eigenes Vermächtnis aufzubauen, muss er seine Worte mit Bedacht wählen, um die Menschen zu Hause nicht vor den Kopf zu stoßen. Hillary Clinton wird sehr genau zuhören. Das Letzte, was die führende - aber zunehmend unpopuläre - Spitzenkandidatin der Demokraten jetzt gebrauchen kann, ist ein Geschichtsstreit über die mögliche Schuld der US-Amerikaner im Zweiten Weltkrieg.

G - Wer?

Obamas historischer Akt ist gut choreografiert. In Japan bekommt sein bevorstehender Hiroshima-Besuch so viel Aufmerksamkeit, dass das G7-Treffen zu einer reinen Auftaktveranstaltung für Obama verkommt. Auslandskorrespondenten wurden hektisch umgeschichtet. Aber sieben der mächtigsten Staatsführer der Welt werden nicht vor leeren Publikumsrängen spielen, vor allem, wenn sie über einige der drängendsten Probleme unserer Zeit sprechen: die Krise in der Weltwirtschaft, das umstrittene Freihandelsabkommen TTIP, Terrorismusbekämpfung, die Krisen in Syrien, der Ukraine, Libyen und Nordkorea. Auch die anhaltenden Spannungen mit China wegen des Herrschaftsbereichs im Ost- und Südchinesischen Meer sind Themen. Es ist ja nicht so, dass die G7-Führer diese Probleme nicht angehen, aber es scheint, dass sie nie eins lösen.

Die Industrienationen sind einen langen Weg gegangen, seitdem sie 1975 nach dem Zusammenbruch des Wechselkurssystems von Bretton-Woods zu einem Notfalltreffen zusammengekommen waren. Historiker werden bescheinigen, dass die (damals) G6 dazu beigetragen haben, einen Ausweg aus den Problemen zu finden.

Alle wollen etwas Anderes

Das diesjährige Treffen kann als ein Krisentreffen zum Stand der Weltwirtschaft und der heißen und kalten Konflikte gesehen werden. Alle Personen am Tisch, die Direktorin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, und den Präsidenten der Weltbank, Jim Yong Kim, eingeschlossen, wissen, dass die verhältnismäßige Ruhe nicht von Dauer sein wird. Das globale Wachstum ist unten, sogar das frühere Wirtschaftskraftwerk China hat zu kämpfen. Und trotzdem verhalten sich die G7-Führer wie Ärzte, die auf unterschiedliche Behandlungsmethoden bestehen, obwohl sie wissen, dass der Patient immer instabiler wird.

Japans Premierminister Shinzo Abe möchte mit seiner Lockerung der Geldmarktpolitik und Strukturreformen fortfahren, obwohl seine "Abenomics" (Zusammensetzung aus seinem Namen und dem englischen Wort für Wirtschaft, Anm. d. Red.) bisher daran gescheitert sind, zu nachhaltigem Wachstum zu führen. Er argumentiert, alles was es dafür benötige, sei mehr Zeit und neue Bargeldspritzen für die Weltwirtschaft.

Kuefner Michaela Kommentarbild App
Michaela KüfnerBild: DW

Beim Treffen der G7-Finanzminister vorige Woche hatte Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble keinen Zweifel daran gelassen, was er von dieser Lösung hält: Er lehnte es schlicht ab, die Wirtschaft mit geliehenem Geld anzukurbeln. Die Kraft verpuffe schnell, so als würde man "Stroh anzünden". Dass die Gruppe keine Abschlusserklärung veröffentlicht hatte, zeigt, wie wenige Gemeinsamkeiten es gibt.

Die größte Hoffnung bleibt, dass sich die nationalen Regierungen wenigstens auf Koordinierung einigen, sodass Maßnahmen anderer Staaten nicht verpuffen. Wenn sich die G7 darauf einigen können, Protektionismus zu vermeiden, wäre es ein Erfolg.

Die Sache mit den Elefanten

G7-Führer mögen es, über gemeinsame Werte der Gruppe zu sprechen. Freiheit, Demokratie und die Rechtsstaatlichkeit würden verbinden, argumentieren sie. Aber genau das sind die Werte, die momentan in der Ukraine und im Südchinesischen Meer auf dem Spiel stehen. Chinas offensichtliche Verletzung des internationalen Seerechts, indem sie Land für sich beanspruchen und in Korallenriffen militärische Außenposten bauen, passt einfach nicht zu den jüngsten diplomatischen Lippenbekenntnissen.

Die Stellungnahme der G7-Außenminister rief zu einem Ende "jeglicher einseitiger, provokativer Handlungen, die mit Gewaltandrohung verbunden sind und den Status Quo verändern und Spannungen verschärfen könnten" auf. Das verärgerte Peking, obwohl die G7-Führer sorgfältig vermieden, das "C"-Land in ihrer Stellungnahme zu nennen. Das lässt ein weiteres Mal erahnen, was es bedeuten könnte, wenn China anfängt, den starken Mann zu markieren.

Russland ist der andere Elefant im Raum – unübersehbar da, aber nach außen hin ignoriert. Sicherlich wird über Russland gesprochen, anstatt dass es Teil der Diskussion ist. Auch Moskau hat lange hinter der territorialen Integrität Europas gestanden. Aber das Verhalten auf der Krim und in der Ostukraine hat gezeigt, dass es nichts als Worte waren, und hat fast zur eigenen Ausweisung aus der Gruppe der industrialisierten Staaten geführt.

Es geht nicht ohne China und Russland

Trotzdem, die Staats- und Regierungschefs wissen, dass sie mit beiden, sowohl China als auch Russland, sprechen müssen, wenn sie in den kritischsten Krisen unserer Zeit vorankommen wollen. Genau den Krisen, die auch für die historisch hohe Anzahl an Flüchtlingen weltweit verantwortlich sind.

Das verlangt von den G7-Führern, für ihre gemeinsamen Werte einzustehen, ohne auf ein großes Einvernehmen bei den Kernthemen zurückgreifen zu können. Aber in diesem Jahr haben alle G7-Chefs zu Hause eigene Probleme. Kanzlerin Angela Merkel steht unter Druck wegen ihrer Flüchtlingspolitik der offenen Arme. Dem britischen Premier David steht das Brexit-Referendum bevor, das auch über sein politisches Überleben entscheiden dürfte. Und dem französischen Präsidenten Francois Hollande schlagen Proteste wegen seiner Arbeitsmarktreformen entgegen vor dem Hintergrund eines an Einfluss gewinnenden rechts-gerichteten Front National.

Diese aufgewühlte Familie muss mehr als ein Lächeln auf dem Familienfoto abliefern. Die gemeinsamen Werte müssen auch politische Kraft zum Ausdruck bringen.

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