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Literatur

Akt der Solidarität mit türkischen Autoren

Kieselbach Sabine Kommentarbild App
Sabine Kieselbach
15. November 2016

Kann Deutschland angesichts unterdrückter Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei dort Gastland einer Buchmesse sein? Ja, denn nun ist der Kontakt mit Autoren und Verlegern besonders wichtig, meint Sabine Kieselbach.

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Internationale Buchmesse Istanbul
Bild: picture-alliance/dpa/L. Say

Was für ein Bild! Beim Thema Essen kann man nichts falsch machen, dachte sich wohl der stellvertretende Kulturminister der Türkei, Hüseyin Yayman, und überreichte seinem Gast aus Deutschland ein Kochbuch. Die Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer, revanchierte sich ihrerseits mit einem Buch über die schwäbische Küche. So viel Bereitschaft der Regierenden beider Länder, offen über die schwierige Situation für Autoren in der Türkei zu sprechen.

Aber zum Glück blieb es nicht dabei. Denn die deutschen Besucher haben den Gastlandauftritt tatsächlich genutzt, um Tacheles zu reden: öffentlich und in privaten Gesprächen, auf der Bühne und bei gemeinsamen Unternehmungen.

Zentrum der Begegnungen

Der deutsche Pavillon in den Messehallen vor den Toren der Stadt war das Zentrum der Begegnungen. Hier wollte man vor allem das breite Publikum erreichen, das in Scharen kam und an den Verkaufsständen der Verlage auch die Bücher kritischer Autoren finden konnte. Aber der Schein der Normalität trog - denn viele Autoren fehlten bei der Messe, weil sie inhaftiert sind. Eine türkische Schriftstellerin erzählt, dass bei allen Veranstaltungen Mitarbeiter des Geheimdienstes sitzen und dies nicht einmal versuchen zu verheimlichen. Es herrscht ein Klima der Angst, der tiefen Verunsicherung. Türkische Verleger berichten von Einschüchterungsversuchen, von Morddrohungen.

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DW-Kulturredakteurin Sabine Kieselbach berichtet von der Buchmesse in Istanbul

"Worte bewegen" haben die Organisatoren des Gastland-Auftritts - die Frankfurter Buchmesse gemeinsam mit dem Goethe-Institut Istanbul - über ihr Programm geschrieben. Das scheint vor dem Hintergrund täglicher Verhaftungen und Drangsalierungen naiv - ist es aber nicht. Denn es ist vor allem die Aufforderung zum Dialog. Man will das Gespräch nicht abreißen lassen, nicht mit den Kollegen, aber auch nicht mit den offiziellen Gesprächspartnern. In der Politik nennt man das Diplomatie.

Die türkischen Schriftsteller, Journalisten und Verleger sind tatsächlich dankbar - auch für die Solidaritätsbekundungen, wie etwa den Besuch der montäglichen Mahnwache vor dem Frauengefängnis Bakirköy, in dem zum Beispiel die Schriftstellerin Asli Erdogan seit Monaten unter Terrorverdacht einsitzt. Eine von fast 150 Autoren, die alle dasselbe Schicksal erleiden. Zwar hat kaum noch jemand Hoffnung, dass Staatspräsident Erdogan von Worten allein zu einem Kurswechsel bewegt werden kann. Aber das Wissen, vom Rest der Welt nicht vergessen zu sein, macht Mut und lässt diese mutigen Männer und Frauen weitermachen: lässt sie schreiben, protestieren und in der Türkei ausharren. Der Exodus ist mittlerweile enorm - vor allem junge Menschen verlassen das Land in Richtung Westen. Wenn aber alle gehen, welche Zukunft hat dann die Türkei?

Arbeitsmöglichkeiten außerhalb der Türkei ausloten

Die Begegnungen bei der Buchmesse in Istanbul haben aber auch einen ganz praktischen Effekt: Deutsche Schriftsteller sondieren und organisieren Arbeitsmöglichkeiten in anderen Ländern, falls ihre Kollegen die Türkei doch verlassen müssen. Deutsche und türkische Verlage vereinbaren gemeinsame Projekte.

Im Vorfeld hatten die Organisatoren der Frankfurter Buchmesse, die mit den türkischen Messekollegen seit 35 Jahren zusammen arbeiten, tatsächlich überlegt, ob der Gastlandauftritt sinnvoll sei. Jetzt zeigt sich, dass die Entscheidung zu kommen, richtig war. Ein wichtiger Akt der Solidarität in schwierigen Zeiten.

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