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Kommentar: Gefährliche Eskalation im Inselstreit

Matthias von Hein27. November 2013

Im Ostchinesischen Meer wächst die Spannung um eine zwischen Japan und China umstrittene Inselgruppe. Jetzt flogen US-Bomber über das Gebiet. Höchste Zeit für Deeskalation, meint Matthias von Hein.

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Die konfliktträchtige Lage im Ostchinesischen Meer, wo japanische auf chinesische Territorialansprüche stoßen, ist seit dem vergangenen Wochenende noch einmal gefährlicher geworden. Mit der einseitigen Erklärung der Luftraumüberwachungszone hat Peking neues Öl ins seit langem schwelende Feuer gegossen. Die großzügig bemessene Zone bezieht nämlich den Luftraum über den umstrittenen Inseln ein, die in Japan Senkaku und in China Diaoyu heißen. Was ist, wenn Japan und die USA dabei bleiben, die Zone nicht anzuerkennen? Wie wird China auf den "Gesichtsverlust" reagieren?

Durch den chinesischen Schritt und den prompt erfolgten "Test" durch die USA, die (unbewaffnete) Langstreckenbomber in die Zone schickten, wird der Inselstreit militärisch vom Wasser in die Luft getragen. Die sich bislang in dem umstrittenen Seegebiet gegenseitig umkreisenden Schiffe sind langsam, Konfrontationen eher kontrollierbar. In der Luft geht alles sehr schnell. Das Risiko für Fehlkalkulationen, Konfrontationen und Unfälle steigt.

Paradoxe Konfrontation zwischen Wirtschaftspartnern

Es erscheint paradox. Der Streit um acht Felsen im Meer, allesamt unbewohnt, droht drei Staaten in einen Kreislauf eskalierender Provokationen zu ziehen, die wirtschaftlich aufs engste miteinander verflochten sind. Japan ist der drittgrößte Handelspartner Chinas. China ist umgekehrt sogar der größte Japans. Für die USA ist China der drittgrößte Handelspartner, für China die USA der zweitgrößte - nach der Europäischen Union. Das Handelsvolumen zwischen den USA und Japan auf der einen sowie China auf der anderen Seite machte 2012 eine knappe Billion US-Dollar aus.

Aber die wirtschaftliche Verflechtung mag noch so eng sein, nationalistische Strömungen und Kräfte sind dadurch keineswegs neutralisiert. Antijapanische Ressentiments wegen der brutalen Verbrechen Japans in China während des Zweiten Weltkriegs treffen auf antichinesische Stimmungen in Japan. Dort sehen sich viele von einem auch militärisch aufsteigenden China unter Druck gesetzt. Tokio dürfe sich von Peking nicht alles gefallen lassen, so eine weit verbreitete Ansicht. Außerdem sind in beiden Ländern Regierungen an der Macht, die sich nicht scheuen, die nationalistische Karte für ihren Machterhalt zu spielen.


Gefährliches Spiel mit nationalistischen Strömungen

Die Position von Chinas Führung unter Staats- und Parteichef Xi Jinping ist durch das dritte Plenum des Zentralkomitees der KPCh gerade erst konsolidiert. Jetzt demonstriert Chinas Führung auch nach außen Entschlossenheit. Und facht einen nationalen Taumel in der Bevölkerung an, der sich schwer wieder in den Griff bekommen lässt. In chinesischen Internetforen wird nach harten Maßnahmen gegen Japan gerufen. Nur Krieg könne Japan lehren, Chinas Souveränität zu respektieren, kann man da lesen.

China kann mit Recht sagen: Auch andere Länder besitzen Luftraumüberwachungszonen. Und China hat das Recht, Japans Souveränitätsansprüche auf die umstrittene Inselgruppe zu bestreiten, mit friedlichen Mitteln. Aber es steht einfach zu viel auf dem Spiel, um mit immer lauterem Säbelrasseln und Provokationen die Inselfrage klären zu wollen. Dies sollte die Stunde der Diplomatie sein und der Verhandlungen. Vielleicht sollte es die Stunde unabhängiger internationaler Gremien wie des internationalen Gerichtshofes in den Haag sein. Es ist gewiss nicht die Stunde für gefährliche Muskelspiele.

Matthias von Hein, Leiter der China-Redaktion der Deutschen Welle. (Foto: DW/Per Henriksen)
Matthias von Hein, Leiter der China-Redaktion der Deutschen WelleBild: DW