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Griechenland mag scheitern - der Euro nicht

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Rolf Wenkel
29. Juni 2015

Der Euro hat Konstruktionsfehler, die wirtschaftlich schwache Mitgliedsländer fast zwangsläufig in den Ruin treiben. Das war fast allen europäischen Ökonomen klar, nicht aber der Politik, meint Rolf Wenkel.

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Griechische Euromünze
Bild: picture-alliance/dpa/Jens Büttner

Machen wir uns nichts vor: So wie es aussieht, wird die Europäische Währungsunion in ein paar Tagen ein Mitglied weniger haben. Ein Mitglied von marginaler wirtschaftlicher Bedeutung zwar, aber von großer Symbolkraft für die europäische Integration. Ist das der Anfang vom Ende des Euro?

Der Satz: "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa" ist theatralisch, übertrieben und sachlich falsch - auch wenn er aus dem Munde der Bundeskanzlerin kommt. Der Euro kann nicht scheitern, solange ihn noch irgendjemand als Zahlungsmittel anerkennt. Und das tun Amerikaner, Asiaten, Russen, Brasilianer und der Rest der Welt nach wie vor, ob nun mit oder ohne Griechenland.

Wohl aber kann man die Frage stellen, ob der Euro eine Fehlkonstruktion ist, der wirtschaftlich schwache Mitgliedsländer geradezu zwangsläufig in den Ruin treiben muss. "Wir sagen ja zum Euro!" tönten lange vor seiner Einführung schon Mitte der 90er Jahre der Deutsche Gewerkschaftsbund und die mächtigste deutsche Einzelgewerkschaft IG Metall.

Damals habe ich mir verwundert die Augen gerieben. Haben die Gewerkschaften keine Volkswirte? Wissen die nicht, dass man mit der nationalen Währung, die man aus der Hand gibt, auch das probate Mittel der Abwertung aus der Hand gibt? Wissen die nicht, dass man ohne eigene Währung auf nationaler Ebene nur abwerten kann, wenn man Löhne drückt, Jobs abbaut und den verbliebenen Rest länger arbeiten lässt?

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Rolf Wenkel, DW-Wirtschaftsredaktion

Kleiner Einschub, sozusagen Volkswirtschaftslehre für Erstsemester: Ein Land mit eigenständiger Währung kann, wenn es wirtschaftlich in Schwierigkeiten gerät, den Wechselkurs seiner Währung billiger machen. Das hat mehrere Vorteile: Importe werden teurer, was zu einer gewissen Importdisziplin führt, Exportprodukte werden auf dem Weltmarkt billiger, und damit wird das Land insgesamt wettbewerbsfähiger, und schließlich, oft in der einschlägigen Literatur vergessen, macht es das Land für Direktinvestitionen attraktiver, weil sie in der Landeswährung günstiger zu haben sind.

Meine Befürchtung war damals, Mitte der 90er Jahre, dass die Länder an der südlichen Peripherie der Währungsunion in Teufels Küche kommen würden, weil sie ihre traditionell schwache Wirtschaftskraft nicht mehr durch eine Abwertung kompensieren konnten.

Doch erst einmal kam es anders. Seit 1995, als klar war, welche Länder dem noblen europäischen Währungsclub beitreten würden, bekamen diese Länder von den Finanzmärkten Vorschusslorbeeren in Form von niedrigeren Zinsen für Staatsanleihen - eine Einladung, eine Steilvorlage, zu günstigen Zinsen noch mehr Schulden zu machen.

So ging im Süden die Party los, während sich in Deutschland das Gegenteil abspielte. Die Gewerkschaften hierzulande verzichteten auf Lohnprozente, die Sicherung von Arbeitsplätzen hatte Vorrang. Volkswirte sagen ganz nüchtern dazu: Die Deutschen haben rund zehn Jahre lang intern abgewertet, haben sich vom kranken Mann Europas zur Lokomotive entwickelt, was ihnen mittlerweile Amerikaner, Franzosen und Italiener ankreiden, obwohl das andere Staaten viel nötiger gehabt hätten.

Machen wir uns nichts vor: So wie es aussieht, wird die Europäische Währungsunion in ein paar Tagen ein Mitglied weniger haben. Aber am Erfolg der Währungsunion wird das nichts ändern. Und dabei bleibt es, so bitter es für die Bürger Griechenlands auch werden wird.