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Gute und schlechte Sachsen

Marcel Fürstenau22. Februar 2016

Ist der ostdeutsche Freistaat fremdenfeindlicher als der Rest des Landes? Oder ist das nur ein böses Vorurteil? Auch nach Clausnitz und Bautzen helfen Verallgemeinerungen allein nicht weiter, meint Marcel Fürstenau.

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Bautzen Brandanschlag auf geplantes Flüchtlingsheim
Demonstranten vor dem ausgebrannten Hotel in Bautzen, in das im März Flüchtlinge einziehen solltenBild: picture alliance/dpa/C. Essler

Draußen der pöbelnde Mob, im Bus verängstigte Flüchtlinge. Polizisten schaffen es nicht, das brutale Volk auf der Straße in den Griff zu bekommen. Stattdessen zerren sie Flüchtlinge gewaltsam aus dem Bus und bringen sie gegen ihren Willen in die Unterkunft. Um sie in Sicherheit zu bringen, lautet die Begründung. Eine durchaus plausibel klingende Erklärung angesichts der bedrohlichen Szenen, die sich jeder im Internet ansehen kann. Hasserfüllte Stimmung in Clausnitz, die Situation könnte jeden Moment außer Kontrolle geraten. Oder redet sich die Polizei raus, um vom eigenen Versagen abzulenken? Aus der Ferne lässt sich das seriös nicht beurteilen. Trotzdem sind viele schnell mit Schuldzuweisungen zur Stelle. Auch dieses Verhalten kann zur Eskalation beitragen - zumindest auf der rhetorischen Ebene. Zur Aufklärung wird es jedenfalls kaum beitragen.

Nur eines ist klar: Wieder einmal erlebte das beschauliche Sachsen fremdenfeindliche Exzesse. Nicht nur gefühlt passiert das im Freistaat häufiger als anderswo. Dort brennen besonders oft Flüchtlingsunterkünfte, am Samstag in Bautzen. Die Verrohung ist besonders sichtbar. Rettungskräfte werden am Löschen der Feuer gehindert, hasserfüllte Schaulustige freuen sich über das Flammenmeer. Da gibt es nichts zu beschönigen, schon gar nicht zu entschuldigen. Sachsen ist auf dem besten Weg, zum Synonym für den hässlichen Deutschen schlechthin zu werden.

Wer jetzt noch bei Pegida mitläuft, unterstützt geistige Brandstifter

Für viele ist der Freistaat das schon lange. Dafür haben vor allem die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) gesorgt. Seit über einem Jahr marschieren jede Woche Tausende durch Dresden und haben sich zunehmend radikalisiert. Anfangs mögen noch viele darunter gewesen sein, die sich von der Politik zu recht vernachlässigt und unverstanden gefühlt haben. Wer die inzwischen unverhohlen fremdenfeindlich und rassistisch daherkommende Bewegung aber noch immer unterstützt, stellt sich bewusst außerhalb der zivilisierten Gesellschaft. Das gilt in gleicher Weise für die Pegida-Nachahmer in anderen Teilen Deutschlands.

Unterkünfte für Flüchtlinge brennen nicht nur im Osten. So wie es den Aufstand der Anständigen und Hilfe für Notleidende nicht nur im Westen gibt. Angesichts der Zustände in Sachsen gehen die guten Beispiele aber meistens unter. Die berechtigte und medial verstärkte Empörung ist eben lauter und raumgreifender als die Solidaritätsaktion von 100 Aufrechten in Clausnitz am vergangenen Wochenende. Wer hat schon die beeindruckende Menschenkette mit 13.000 Teilnehmern in Dresden wahrgenommen, die am 13. Februar, dem Jahrestag der Zerstörung ihrer Stadt kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs, gedachten? Sie setzten damit auch ein deutliches Zeichen gegen die Vereinnahmung dieses Tages durch Rechte und die durch Pegida erzeugte Stimmung.

DW-Korrespondent Marcel Fürstenau
DW-Korrespondent Marcel FürstenauBild: DW/S. Eichberg

Sachsen hat mehr als ein Image-Problem

Auch solche Bilder gehören zu Sachsen. Dann werden aus dieser schönen Stadt an der Elbe mit ihren vielen Narben auch mal gute Nachrichten in die Welt gesendet. Sie verdrängen die hässliche Fratze aber nur für kurze Zeit. Nach den abscheulichen Ereignissen der vergangenen Tage läuft Sachsen mehr denn je Gefahr, auf Dauer als unverbesserlich rechtsextrem abgestempelt zu werden. Dafür gibt es leider immer wieder Anlass.

Es hilft nichts, auf die überall in Deutschland anzutreffende Fremdenfeindlichkeit zu verweisen. Sachsen hat mehr als ein Image-Problem. Das wird sich nur ändern, wenn im wahrsten Sinne des Wortes mehr Menschen gegen Pegida als mit Pegida auf die Straße gehen. Und zwar jedes Mal. Das gilt erst recht nach Tagen wie denen in Clausnitz und Bautzen.

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