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Politik

Harter Schlag für ägyptische Zivilgesellschaft

El-Kaoutit Khalid Kommentarbild App PROVISORISCH
Khalid El Kaoutit
8. Juni 2017

Ein neues Gesetz schränkt die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen in Ägypten massiv ein. Dafür sind die Revolutionäre von 2011 nicht auf die Straße gegangen, meint Khalid El Kaoutit.

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Konrad-Adenauer-Stiftung in Kairo Ägypten
Die großen politischen Stiftungen aus Deutschland sind alle in Kairo präsent - ihre Arbeit wird aber seit Jahren behindertBild: picture-alliance/dpa

Nun ist er gefallen - der Todesschuss für die Zivilgesellschaft in Ägypten. Bald können die Untaten des Regimes nicht mehr aufgedeckt werden. Die politischen Oppositionellen, sollten sie vor Gericht stehen, erhalten keinen echten Rechtsbeistand mehr. Die Welt wird nichts mehr über Folter in ägyptischen Gefängnissen erfahren - nicht einmal, ob es dort politische Gefangene gibt. Denn alles das ist es, was Menschenrechtsorganisationen in den vergangenen fünf Jahren geleistet haben.

Ägyptens Image als stabiles Land und verlässlicher Partner des Westens im Kampf gegen den Terror und die Flüchtlingsströme, das Präsident Abdelfattah al-Sisi und seine Riege gerne verbreiten, soll keinen Kratzer mehr bekommen. So wünscht es sich das Regime im Land am Nil. Und durch das neue NGO-Gesetz kann dieser Wunsch nun Realität werden.

Ein weiterer Schritt zurück in die Ära Mubarak

Sechs Monate hat Präsident Abdelfattah al-Sisi gebraucht, um das vom Parlament beschlossene und in der Gesellschaft äußerst umstrittene Gesetz zur Regelung der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen zu unterzeichnen. Ägyptische Aktivisten bezeichneten den Entwurf als "Massaker" an Menschenrechtsgruppen und NGOs. Er sei noch restriktiver als die Regelungen unter der Herrschaft des  früheren Diktators Hosni Mubarak. Doch trotz nationaler und internationaler Kritik hielt das Regime am Gesetz fest. Eine Regulierung der NGO-Aktivitäten sei erforderlich, um die nationale Sicherheit zu wahren und angebliche Einmischung ausländischer "Kräfte" zu unterbinden, so die offizielle Begründung.

Zwischen der Verabschiedung durch das Parlament und der Absegnung durch al-Sisi lag der Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in Kairo im März. Nach ihrem Treffen mit Präsident al-Sisi teilte Merkel mit, die ägyptische Regierung sei bereit, die Arbeit der politischen Stiftungen aus Deutschland wieder zuzulassen. Merkel unterstrich den Beitrag dieser Stiftungen für der Entwicklung der Zivilgesellschaft in Ägypten. Auch für die Ägypter, die 2011 auf die Straße gegangen sind, war die Entwicklung der Zivilgesellschaft eine zentrale Forderung

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Khalid El Kaoutit war mehrere Jahre DW-Korrespondent in Kairo und ist heute Redakteur in der Arabischen Redaktion

Al-Sisi will die Kontrolle über alles

Das neue Gesetz sieht nun vor, dass die etwa 47.000 in Ägypten arbeitenden NGOs ein Jahr Zeit haben, sich den neuen Regeln zu unterwerfen. Ausländische Organisationen, darunter auch die deutschen politischen Stiftungen, müssen etwa 15.000 Euro an den ägyptischen Staat zahlen, bevor sie ihre Arbeit im Land wieder aufnehmen können. Das sind für die Deutschen Peanuts angesichts der strategischen Bedeutung Ägyptens für die Stabilität in der Region. Die entscheidende Hürde liegt allerdings darin, dass durch das Gesetz einheimische Partner der deutschen Organisationen noch mehr eingeschränkt werden.

So sind beispielsweise Feldstudien oder Interviews nur noch unter Aufsicht der Behörden möglich. Und ihre Ergebnisse dürfen erst nach Genehmigung veröffentlicht werden. Das ist so als würde eine Partei die Berichterstattung über Konflikte, in die sie verwickelt ist, zwar erlaubt, die Gesprächspartner aber selber bestimmen und alle Interviews autorisieren will, bevor sie veröffentlicht werden dürfen. Sonst drohen nämlich hohe Geld- und Gefängnisstrafen. Kann so Neutralität und Objektivität der Berichte gewährleistet werden? Wohl kaum.

Kein Raum für Kritik

Die Worte der Bundeskanzlerin Anfang März wirkten wie ein letzter Hoffnungsschimmer, dass der Westen in dieser Frage Druck auf Kairo ausüben könne. Doch weit gefehlt. Denn Präsident al-Sisi braucht die Zivilgesellschaft nicht. Er hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass in seinem Herrschaftskonzept weder Freiheit noch Menschenrechte hohe Priorität haben. Stattdessen setzt er auf Sicherheit und Stabilität, die wiederum nur durch autoritäres Regieren realisiert werden können. Das haben die vergangenen Jahre gezeigt. Aktivisten, die Korruption, Folter oder polizeiliche Willkür aufdecken, sind für ihn Störenfriede, die zum Schweigen gebracht werden müssen.

Dass al-Sisi nun das neue NGO-Gesetz unterzeichnet hat, ist deswegen nur ein logischer weiterer Schritt in seiner Regentschaft. Und die Leidtragenden sind jetzt genau die, welche bei der Revolution von 2011 für ein besseres, demokratisches und - ja - stabiles Ägypten gekämpft haben.

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