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Glaube

Ich habe einen Traum!

11. März 2017

Die Trennung zwischen Katholiken und Protestanten trifft die aktivsten Gläubigen. Warum müssen sie 500 Jahre nach der Reformation immer noch leiden? Es braucht mehr Mut zu Reformen, meint Astrid Prange de Oliveira.

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Deutschland 2. Ökumenischer Kirchentag München
Beim Ökumenischen Kirchentag 2010 in München brechen Eckhard Nagel, evangelischer Präsident des Kirchentags (li.), und Alois Glück, katholischer Präsident des Kirchentags, gemeinsam das BrotBild: picture-alliance/dpa/T. Hase

Ich habe einen Traum: Ich träume von einer Christenheit, die gemeinsam das Abendmahl feiern kann. Die Glaubensinhalte wichtiger nimmt als kirchliche Hierarchien. Die auf Absolutheitsansprüche verzichtet und Verschiedenheit anerkennt.

Ich gebe zu: 500 Jahre nach der Reformation ist dies ein Traum. Die kirchliche Alltag sieht anders aus. So müssen konfessionsverschiedene Ehepaare noch immer in die evangelische Kirche gehen, wenn sie gemeinsam am Altar das Abendmahl feiern wollen.

Noch immer können Frauen, die sich zur Priesterin berufen fühlen, nur als Pastorinnen in evangelischen Gemeinden predigen. Und noch immer steht die Anerkennung der protestantischen Kirchen durch Rom aus.

Unchristliche Feindschaft

Noch immer bluten die Wunden der Kirchenspaltung. Evangelische und katholische Christen haben sich in den vergangenen 500 Jahren häufig das Leben auf Erden zur Hölle gemacht, sie haben einander verfolgt, verspottet, missachtet und zahlreiche religiös aufgeladene Kriege geführt.

Der Krieg der Konfessionen in Deutschland forderte viele Opfer. Er teilte Städte, Gemeinden und Regionen in religiöse Lager, er verursachte persönliche Feindschaften und Rivalitäten. Er verhinderte Ehen zwischen Protestanten und Katholiken oder ließ sie zerbrechen. Er trennte Kinder nach Konfessionen.

Getrennte Toiletten für evangelisch und katholische Schüler in einer Schule
Getrennte Toiletten für evangelische und katholische Schüler in einer Schule in Oggersheim um 1900Bild: Ullstein

Unvorstellbar, aber wahr: Es ist noch nicht lange her, dass Kinder unterschiedlicher Konfessionen gemeinsam unterrichtet werden können. Der Widerstand der katholischen Kirche gegen die ab 1806 eingeführten "Simultanschulen" hielt bis in die 1960er Jahre an. In einigen Regionen gibt es noch heute Sonderregelungen.

Ein Papst für alle?

Noch 2008 beharrte Papst Benedikt XVI. auf dem Alleinvertretungsanspruch der Katholischen Kirche. Nur sie sei legitimiert in der Nachfolge von Jesu Christi. Für die Protestanten und für die ökumenische Bewegung, also die Zusammenarbeit zwischen unterschiedlichen christlichen Konfessionen, war dies ein harter Schlag.

Vor dem Hintergrund dieser tiefsitzenden Verletzungen kommt dem Versöhnungsgottesdienst am heutigen Samstag in Hildesheim, zu dem die Evangelische und Katholische Kirche gemeinsam eingeladen haben, eine enorme Bedeutung zu.

Er bezeugt, dass die Wunden immer noch bluten und nur gemeinsam geheilt werden können. Er bezeugt aber auch, dass die in zäher ökumenischer Arbeit aufgebauten Gemeinsamkeiten zwischen Katholiken und Protestanten mittlerweile ein festes Fundament bilden.

Prange de Oliveira Astrid Kommentarbild App
DW-Autorin Astrid Prange de Oliveira ist Protestantin

Zwei Konfessionen, ein Bekenntnis

Dazu gehören die gegenseitige Anerkennung der Taufe seit 2007, das ökumenische Glaubensbekenntnis und die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre 1999, die einen der wichtigsten theologischen Gegensätze zwischen Protestanten und Katholiken aufhob: In ihr bezeugen beide Konfessionen, dass allein der Glaube die Gnade Gottes bewirkt.

Der Gottesdienst in Hildesheim ist eine wichtige Geste dieser lang ersehnten konfessionellen Aussöhnung und lässt den Traum der Ökumene wieder aufleben. Papst Franziksus setzte bereits zum Auftakt des Reformationsjubiläums im Oktober 2016 ein Zeichen und reiste zum Lutherischen Weltbund in Lund. Seine Botschaft: Besser als zwei einzelne Kirchen sind beide Kirchen zusammen!

Die Reformation schreitet voran, ungeachtet mächtiger Traditionen und Gegenkräfte. Ich hoffe deshalb weiterhin darauf, dass Katholiken und Protestanten eines Tages gemeinsam am Tisch des Herrn sitzen können. Ich habe einen Traum und ich lasse ihn mir nicht nehmen!

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