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Kommentar: Israels Vorgehen ist inakzeptabel

Peter Philipp 19. April 2004

Trotz internationaler Kritik will Israel an seiner Politik der "gezielten Tötungen" festhalten. Dies dient aber weniger der Terror-Bekämpfung als Scharons innenpolitischer Machtstellung, sagt Peter Philipp.

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Noch keine drei Wochen sind es her, dass Abdul Aziz Rantisi den Israelis androhte, man werde sie überall angreifen und überall verfolgen. Diese Drohung hat er nicht mehr verwirklichen können. Ihn ereilte dasselbe Schicksal wie Achmed Yassin, dessen Nachfolger er wurde: Israelische Hubschrauber-Raketen töteten Rantisi auf offener Straße. Mit Ismail Abu Shanab im letzten August und nun Yassin und Rantisi innerhalb weniger Tage verlor die islamistische "Hamas" drei ihrer prominentestes Führer. Ein Nachfolger soll zwar bereits benannt sein, aber langsam wird es eng für die Organisation, die zu den unversöhnlichsten Gegnern Israels gehört.

Hamas nicht am Ende

Es dürfte eine irrige Annahme sein zu glauben, dass "Hamas" sich damit ihrem Ende nähert. Genau diesen Eindruck aber wollen israelische Sprecher jetzt erwecken, wenn sie die Morde als Erfolge in ihrem "legitimen Kampf gegen den Terrorismus" feiern. Sie verharmlosen dabei die Welle der Empörung, die diese Morde nicht nur unter "Hamas"-Anhängern auslösen, sondern unter den Palästinenser allgemein, in der arabischen Welt und weltweit. So, als könne Israel sich weitere Kritik, Ablehnung und Isolation leisten.

Israel kann das nicht. Daran ändern auch die jüngsten Erklärungen von US-Präsident Bush nichts. Kein Staat kann auf Dauer völlig auf sich gestellt agieren, und die Unterstützung nur eines Partners reicht nicht. Selbst wenn dieser so mächtig ist wie die USA. Es wäre aber falsch, die Ermordung Rantisis als direkte Folge der jüngsten Bush-Erklärung zu interpretieren: Rantisi stand schon vorher auf der "Abschussliste", und Morde dieser Art sind nicht erst unter Scharon "erfunden" worden: Im Laufe seiner 56-jährigen Geschichte hat Israel immer wieder Gegner "gezielt getötet" - wie es im offiziellen israelischen Jargon heißt.

Israel mordet nicht zum ersten Mal

PLO-Offizielle wurden in Beirut, in Zypern und in Tunis ermordet, die Täter des Olympiade-Überfalls 1972 in aller Welt verfolgt, und selbst zu relativ ruhigen Zeiten schlug Israel zu. Wie beim - mißglückten - Anschlag auf "Hamas"-Funktionär Khaled Mashal in Amman vor einigen Jahren. Die Befehle zu diesen Angriffen wurden von praktisch allen israelischen Regierungschefs gegeben, nicht nur von Scharon. Und Scharon brauchte dazu nicht erst Ermunterung durch einen Präsidenten wie George Bush, der nur zu bereitwillig die Positionen Israels unterstützt.

Nur in einem Fall ermordete man - in Norwegen - einen unschuldigen marokkanischen Kellner. Sonst traf man durchaus Leute, die Blut an den Händen hatten. Aber: Man erreichte mit diesen Morden nichts, der Kampf ging und geht weiter und die Hoffnungen auf einen Frieden schwanden unter diesen Morden ebenso wie unter dem Terror der Gegenseite. Scharon dürfte dies klar gewesen sein, als er den Mord an Rantisi abnickte.

Vom internationalen Recht nicht gedeckt

Scharon ging es wohl auch nicht darum, in Gaza Ruhe und Ordnung herzustellen, sondern ihm ging es darum, den Kritikern aus den eigenen Reihen zu zeigen, dass sein Plan eines einseitigen Rückzuges aus Gaza kein Zeichen der Schwäche ist, erst recht nicht eine Abkehr von der bisherigen Linie.

Man könnte ja vielleicht gerade noch nachvollziehen, dass gewalttätige Gegner liquidiert werden, um weitere Bluttaten zu verhindern. Politische, noch dazu innenpolitische, Gründe aber dürfen dafür ebenso wenig herhalten wie Rachegefühle. Internationales Recht deckt solches nicht, und Israel sollte in jeder Hinsicht die Konsequenzen daraus ziehen.