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Abrissbirne, Architekt und Arbeiter

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Henrik Böhme
29. Oktober 2015

Tausende Jobs weg, keine Dividende, Milliardenverluste: An schlechten Nachrichten aus der Deutschen Bank mangelt es nicht. Auf absehbare Zeit wird das auch so bleiben, meint Henrik Böhme.

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Frankfurt PK Deutsche Bank John Cryan
Bild: Getty Images/T. Lohnes

Um schlechte Nachrichten zu verbreiten, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die Salamitaktik, also alles scheibchenweise an die Öffentlichkeit bringen. Oder die brachiale Methode, sprich: Einmal den großen Besen schwingen und dann hoffen, dass der damit entfachte Sturm sich bald wieder legt. Aber weil sich bei der Deutschen Bank so viel Unrat angesammelt hat und es so große Besen überhaupt nicht gibt, musste sich der neue Chef John Cryan für die Salami-Variante entscheiden.

Als er sich im Sommer an die Arbeit machte, wurde schnell klar, dass er jeden Stein umdrehen würde. Denn Cryan musste dringend mit der Vergangenheit brechen, daran war schließlich sein Vorgänger Anshu Jain gescheitert. Es würde also nicht bei ein paar Kurskorrekturen bleiben, um Deutschlands größte Privatbank wieder in ein ruhiges Fahrwasser zu führen.

Schlag auf Schlag

Eine Weile war nicht viel zu hören aus den Zwillingstürmen in der Frankfurter City. Schon das ließ nichts Gutes ahnen. Dann aber ging es praktisch Schlag auf Schlag: Cryan hatte auf die Methode Abrissbirne gesetzt, er wollte einen besenreinen Neuanfang. Resultat: Über sechs Milliarden Euro Verlust in nur einem Quartal, ein Rekord und ein Schock für die Aktionäre - und doch nur ein Anfang. Dann ging es an die Geschäftsfelder und die verantwortlichen Köpfe. Jeder in der Chefetage, der auch nur in Ansätzen in die Skandale der Vergangenheit verwickelt war, musste seinen Hut nehmen. Die Geschäftsbereiche bekamen eine transparentere Struktur und vor allem: Das Investmentbanking, unter Jains Führung viele Jahre die Cash Cow der Bank, wurde zurückgestutzt. Denn dort wurde zwar viel Geld verdient, nur eben oft mit unsauberen Methoden. Ein Erbe, das der Deutschen Bank noch lange wie ein Klotz am Bein hängen wird.

Schließlich dann noch eine bittere Pille für die Aktionäre: Für die kommenden beiden Jahre dürfen sie keine Dividende erwarten, die Bank braucht das Geld anderswo. Zum Beispiel, um die strengen Auflagen der Regulierer zu erfüllen, die die Deutsche Bank auf Grund ihrer Verfehlungen und der mangelnden Kooperationsbereitschaft in der jüngsten Vergangenheit besonders auf dem Radar haben. Und wer nun glaubte, damit sei es gut, der sah sich getäuscht: Denn das Aufräumen auf der Chefetage war ein Vorspiel für den nächsten Akt: Ein drastischer Personalabbau quer durch die Bank. Die Abrissbirne Cryan hat ganze Arbeit geleistet.

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DW-Wirtschaftsredakteur Henrik Böhme

Pluspunkte, aber keine Erfolgsgarantie

Doch dabei kann es nicht bleiben. Der 54-jährige Brite muss nun zeigen, dass er auch ein Architekt sein kann. Denn er will die Bank sozusagen neu bauen. Einen Plan dafür gibt es schon, er hat den schlichten Namen "Strategie 2020". Den haben schon Cryans Vorgänger aufgeschrieben. Wirklich umgesetzt haben sie davon nicht viel, weil ihnen offenbar der Mut zum harten Bruch mit der Vergangenheit fehlte. Einfacher und effizienter, auch normaler wolle man werden, so beschrieb es John Cryan jetzt bei seinem ersten öffentlichen Auftritt, seit er im Amt ist. Es sei eben so viel zu tun gewesen, sagte er fast entschuldigend - und auf Deutsch. Das dürfte ihm auf jeden Fall ein paar Pluspunkte einbringen.

Dieser Auftritt, den er eigentlich gar nicht wollte, zeigte einen Mann, der angetreten ist als ehrlicher Makler, und ja: als Arbeiter für eine bessere Deutsche Bank. Wo Anshu Jain nichts dabei fand, von den Machenschaften seiner "Army" angeblich nichts gewusst zu haben, gab Cryan den bescheidenen Vorarbeiter. Das ist wohl auch seine einzige Chance. Denn schließlich muss er nicht nur Analysten, Investoren und Aktionäre von seinen Plänen überzeugen, sondern vor allem seine Mannschaft. Das dürfte die eigentliche Herkulesaufgabe sein.

Eine Erfolgsgarantie freilich gibt es auch für ihn nicht. Denn schon brauen sich über den Zwillingstürmen in Frankfurt wieder neue Wolken zusammen. Die kommen aus Russland, wo die Bank in Geldwäsche-Geschäfte verwickelt sein soll. Das schauen sich auch US-Ermittler gerade genauer an. Sollte sich zeigen, dass die Deutschbanker gegen internationale Sanktionen verstoßen haben, dann Gute Nacht. Da dürften die Gelder, die die Bank schon mal vorsorglich beiseite gelegt hat, nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Wohl niemand dürfte John Cryan um seinen Job beneiden: Ist irgendwo ein Graben zugeschüttet, tut sich mit Sicherheit irgendwo ein anderer auf. Vorschlag für den neuen Werbeslogan: "Deutsche Bank - Es bleibt spannend".

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Henrik Böhme Wirtschaftsredakteur mit Blick auf Welthandel, Auto- und Finanzbranche@Henrik58