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Politik

Kein Ende des Terrors

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
23. März 2017

Der Anschlag von London fiel auf den Jahrestag der tödlichen Attacke auf den Flughafen und die U-Bahn von Brüssel. Die schreckliche Wiederholung zeigt, dass der Terror Teil unseres Lebens bleibt, meint Barbara Wesel.

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Großbritannien London
Bild: Reuters/E. Keogh

Seit dem grauenerregenden Anschlag in Nizza im vorigen Sommer  scheint es ein neues Muster bei Terrorattacken in Europa zu geben: Radikalisierte Einzeltäter morden mit Hilfe einfachster Mittel - häufig mit Kraftfahrzeugen und Messern. Es ist eine Form des Low-Tech-Terrors entstanden, für die man keinen Bombenbauer, keinen Sprengstoff und keine Schnellfeuerwaffe braucht.

Und sie treffen ihre Ziele mit tödlicher Sicherheit - weil es wohl nur um die Zahl der Toten geht. Die Identität der Opfer scheint beliebig, wenn selbst Muslime dabei sind, wie in Nizza und in Brüssel. Es geht also nicht einmal mehr um Mord an den sogenannten "Ungläubigen", es geht nur noch um Mord an sich.

Das Märchen von den "Benachteiligten"

Seit dem Beginn der neueren Anschlagserie vor zwei Jahren in Frankreich, sucht man nach den Motiven der Täter. Da galt lange das "Sozialarbeiter-Modell": Diskriminierung und wirtschaftliche Benachteiligung seien Ursache für den Terrorismus. Zweifellos wurden die französischen Vorstädte vernachlässigt, gibt es in Birmingham - mutmaßlicher Wohnort des gestrigen Täters - Armut und Ungerechtigkeit. Aber die gibt es überall auf der Welt, ohne dass die Menschen mordend über ihre Nachbarn herfallen.

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Barbara Wesel ist DW-Korrespondentin in Brüssel

Die neuere Ursachenforschung weist auf ein anderes Schema: Die Täter sind vielfach Kleinkriminelle auf Sinnsuche. Sie wollen ihrem verpfuschten Leben einen grauenhaften Glanz verleihen, indem sie sich als Massenmörder profilieren. Und wenn das ganze noch mit einem scheinbar höheren Ziel, einem "heiligen Krieg" oder der "Ehre" Allahs verbunden wird, dann glauben diese gescheiterten Existenzen sich damit eine Identität zu schaffen.

Kein Gott braucht Morde

Haben diese Taten etwas mit dem Islam zu tun? Das Hinschlachten Unschuldiger ist zweifellos eine perverse Auslegung muslimischer Lehren. Und die Masse der friedliebenden Gläubigen wehrt entsetzt ab, damit in Verbindung gebracht zu werden. Aber ganz so einfach kann man es sich nicht machen. Es gibt in dieser Religion eine Neigung zu tödlichem Sektierertum, etwa zwischen Sunniten und Schiiten, die politisch genutzt und religiös gerechtfertigt wird. 

Hier gibt es unbewältigte Aspekte im Islam, die dem friedlichen Zusammenleben in einer globalen Welt im Wege sind. Ob da eine Modernisierung des Glaubens nötig ist, wie manche fordern, oder einfach die Trennung von mörderischen Irrwegen und ihren Protagonisten, müssen die Gläubigen selbst entscheiden. Christen gehen nicht mehr auf Kreuzzug, und auch Muslime sollten das Töten mit religiösem Anstrich aus ihrem Gedankengut verbannen. Denn kein Gott braucht Morde.

Es gibt keine Sicherheit

Die Arbeit der Polizei und Sicherheitskräfte ist in den vergangenen zwei Jahren besser geworden. In Großbritannien war man immer stolz darauf, wie effektiv islamistische Gruppen überwacht wurden. Aber auch in Frankreich und Belgien etwa wird heute zusammengearbeitet, konnten weitere Terror-Gruppen ausgehoben werden. Nur zeigen die Täter-Profile inzwischen, dass vielfach frustrierte Kriminelle am Werk waren, die sich beinahe unbemerkt radikalisiert hatten. Die perfekteste Kontrolle kann nicht in ihre Köpfe schauen - das Risiko wird also bleiben, so lange die perfide Ideologie des IS Anhänger findet. Und ein militärischer Sieg über die Mördertruppe im Nahen Osten dürfte das Problem zunächst eher noch verschärfen.

Es dürfe keine Spaltung zwischen Christen, Juden, Muslimen, Sikhs oder Hindus entstehen, sagte der Londoner Bürgermeister Saddiq Khan jetzt nach dem Anschlag. Wir können dem Hass und der Mordlust nur unsere tolerante Lebensform und unseren Bürgermut entgegenstellen. Überall war es das stärkste Signal gegen den Terror, das eigene Leben furchtlos weiter zu führen. Was nicht heißt, dass man die Täter nicht mit aller Kraft verfolgen muss und aus ganzem Herzen verabscheuen kann. Bei aller Trauer und Anteilnahme für die Opfer - den Sieg über unsere Liberalität dürfen wir ihnen nicht schenken.      

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