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Kein Grund zur Selbstzufriedenheit

Henrik Böhme15. Mai 2014

Deutschlands Volkswirtschaft hat im ersten Quartal deutlich zugelegt. Zugleich hat der wichtigste Aktienindex ein neues Rekordhoch erklommen. Doch jetzt die Füße hochlegen? Bloß nicht, meint Henrik Böhme.

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Deutsche Welle Henrik Böhme Chefredaktion GLOBAL Wirtschaft
Bild: DW

Was für ein Tag! Pünktlich um acht Uhr morgens tickerten die aktuellen Zahlen aus dem Statistischen Bundesamt über die Agenturen: plus 0,8 Prozent Wirtschaftswachstum im ersten Quartal. Die größte Volkswirtschaft Europas steht im Vergleich zu anderen glänzend da. Eine Stunde und zwanzig Minuten später die nächste Eilmeldung: Dax steigt auf Rekordhoch! Erstmals hat der wichtigste deutsche Börsenindex die Marke von 9800 Punkten übersprungen. Zwei gute Nachrichten, zumindest auf den ersten Blick.

Zunächst einmal haben beide Zahlen miteinander nicht allzu viel zu tun. Die Statistiker vermessen die Vergangenheit, die Börse handelt Erwartungen. Und ja, 0,8 Prozent Zuwachs der Wirtschaftsleistung, das kann sich im derzeitigen weltwirtschaftlichen Umfeld durchaus sehen lassen. Doch man muss schon genauer hinschauen. Zum einen kommt der deutschen Volkswirtschaft der extrem milde Winter zugute. Die wichtige Bauwirtschaft hat praktisch keine - wie sonst üblich - saisonalen Einbrüche zu beklagen. Zum anderen kann derzeit niemand wirklich sagen, welche Zuspitzung der russisch-ukrainische Konflikt noch erfahren wird. Schon jetzt, da noch gar keine wirklich harten Sanktionen verhängt worden sind, klagen etliche in Russland tätige deutsche Unternehmen über nachlassende Geschäfte.

Russlands Wirtschaft steht zudem nach Meinung verschiedener Experten vor einer tiefen Rezession, und das nicht als Folge des Ukraine-Konflikts. Damit fällt schon mal eines der Schwellenländer aus, die immer als Hoffnungsträger gehandelt werden. Und auch andere große Namen wie China, Indien oder Brasilien machen derzeit wirtschaftlich alles andere als eine gute Figur.

Und der Giftcocktail hat noch weitere Zutaten: zum Beispiel der Preisverfall in der Eurozone. Sollte sich die Deflation auf breiter Front durchsetzen, hätte das verheerende Folgen: In Erwartung weiter fallender Preise investieren Unternehmen nicht mehr, und die Menschen kaufen Autos lieber später, weil die ja sicher noch billiger werden. Das zwingt jede noch so gut laufende Konjunktur in die Knie und würgt das Wachstum ab.

Dann wäre da noch der starke Euro. Der liegt derzeit nahe 1,40 US-Dollar. Frankreichs Premier forderte zuletzt schon mal ein Eingreifen der Europäischen Zentralbank - und sogar deren Chef Mario Draghi ließ zuletzt laut und deutlich sorgenvolle Töne vernehmen - ohne freilich zu handeln. Und als wäre das alles nicht genug, droht durch die unglaubliche Menge an Geld, das die Notenbanken seit Jahren zur Krisenabwehr in die Märkte pumpen, die Bildung von Blasen. Und solche Blasen verursachen beim Platzen jede Menge Schäden: Das Platzen der Immobilienblase in den USA war 2007 der Auslöser der Weltfinanzkrise.

Die allergrößte Gefahr für diesen schönen Aufschwung, in dem sich die deutsche Wirtschaft befindet und der auch das aktuelle Börsenhoch begründet, ist die aber deutsche Regierung: Mit seltsamen Beschlüssen wie dem Mindestlohn, dem vorgezogenen Rentenalter, dem mangelhaften Willen zu wirklichen Investitionen in Bildung und Infrastruktur sorgt sie dafür, dass diese durchaus gute Phase schneller zu Ende gehen kann als gedacht. Dabei braucht Europa in seiner derzeitigen Verfassung eine Konjunkturlokomotive: Denn die Zuwachsraten anderer europäischer Volkswirtschaft liegen irgendwo zwischen bescheiden und mangelhaft.