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Kommentar: Kein Vertrauen, kein Erfolg

Sarah Wiertz14. Mai 2015

Nicht ein Titel für Real? Für den erfolgsverwöhnten Klub ein Unding. Trainer Ancelotti muss wohl gehen. Er hat zu sehr auf die Stammspieler gesetzt und den Ersatzspielern nicht vertraut, meint DW-Redakteurin Sarah Wiertz

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Fußball - UEFA Champions League Real Madrid vs Juventus Turin (Foto: Reuters)
Mal wieder kein Tor: Der 100-Millionen-Einkauf Gareth Bale (Mitte)Bild: Reuters/Paul Hanna

Die Medien sind sich sicher: Wenn am Ende der Saison kein Titel gewonnen ist, muss Real Madrids Trainer gehen. Also sollte sich Carlo Ancelotti wohl lieber beim Arbeitsamt melden. Nach dem Aus in der Champions League und dem Pokal bleibt nur die Liga. Und da liegen die Königlichen vier Punkte hinter dem Erzrivalen FC Barcelona - bei nur noch zwei Spieltagen.

Dabei hatte doch alles so gut unter der Regie des Italieners angefangen: Gleich in seiner ersten Spielzeit im vergangen Jahr gewann sein Team den Pokal und tröstete sich mit dem Triumph in der Champions League über die verpatzte Meisterschaft hin weg. Immerhin war es der insgesamt zehnte Erfolg in der Königsklasse, woraufhin die Medien und Fans stolz der Mannschaft den Namen "La Décima" verpasste. Und auch bis Ende des Jahres lief alles nach Plan: Real gewann 22 Partien in Serie, mit den Trophäen vom UEFA Supercup und der Klub-WM (Kalenderjahr 2014, also schon vergessen) schien es so erfolgreich weiter zu gehen wie in der Vorsaison - von einer neuen Ära wurde gar gesprochen.

Von Rotieren hält Ancelotti nichts

Carlo Ancelotti (Foto: AFP)
Ancelotti - muss er gehen?Bild: Soriano/AFP/Getty Images

Was also ist passiert? Die Erklärung könnte in der (mangelnden) Breite des Kaders liegen. Ancelotti scheint seinen Stammspielern zu vertrauen, der Bank aber nicht. Die Statistik zeigt: Die Stammelf des FC Barcelona kommt in dieser Spielzeit im Durchschnitt auf 2.7887 Minuten, die von Real auf 3.1246 Minuten. Reals Spieler haben knapp vier Partien mehr bestritten. Auch wenn die Madrilenen zuletzt nur noch in zwei Wettbewerben spielen, sind die Beine zu Saisonende schwer. Trotzdem hält Ancelotti von Rotieren nicht sehr viel. Dabei sollte der erfahrende Trainer doch wissen, dass eine Mannschaft aus mehr als elf Spielern besteht.

Auf den Außenverteidiger-Positionen gibt es keine zuverlässigen Alternativen zu Daniel Carvajal und Marcelo. Das größte Problem steckt aber im Mittelfeld: Luka Modric, der kleine, quirlige Ideen- und Taktgeber fällt seit längerer Zeit verletzungsbedingt aus. Im Hinspiel in Turin ließ Ancelotti sogar Verteidiger Sergio Ramos in der Offensive spielen, anstatt Asier Illarramendi mal eine Chance zu geben - ein missglücktes Experiment und symbolisch für die ganze Saison: Keine Chance für die Bankdrücker.

Angespanntes Verhältnis zwischen Präsident und Trainer

Auch James Rodriguez fehlte zwischendurch verletzungsbedingt und hat noch nicht zur alten Stärke gefunden. Toni Kross überzeugt zwar mit seiner überragenden Passquote (über 90 Prozent), aber der spielentscheidende Pass in die Tiefe kommt selten. Im Sturm scheint 100-Millionen-Mann Gareth Bale in der Mannschaft auch in seiner zweiten Saison noch nicht angekommen zu sein. Der Vorwurf seines Beraters, seine Mitspieler würden ihm viel zu selten den Ball geben, hat den Teamgeist vor dem so wichtigen Rückspiel gegen Turin nicht gerade gestärkt. Nicht zu vergessen sind auch die Abgänge von den erfahrenden Spielern Angel di Maria und Xabi Alonso.

Florentino Pérez (Foto: picture alliance)
Perez - der mächtigste Mann bei RealBild: picture-alliance/Cordon Press

In dieser Phase spielt das angespannte Verhältnis zwischen dem Italiener Ancelotti und Real-Präsident Florentino Pérez sicherlich auch eine Rolle. Besonders die beiden Liga-Niederlagen gegen Atlético Madrid sollen Pérez sehr verärgert haben, auch wenn der Stadtrivale in der Champions-League im Viertelfinale rausgeschmissen wurde.

Zidane, Wenger oder doch Klopp?

Die Medien suchen einen Buhmann. Der Trainer ist am einfachsten zu entlassen. Die Frage jedoch ist: gibt es einen geeigneten Nachfolger? Real-Ikone Zinedine Zidane trainiert derzeit die zweite Mannschaft. Aber ist er schon reif und bereit für die ganz große Aufgabe? Manuel Pellegrini und Jose Mourinho hat Real schon ausprobiert, kämen noch Arsene Wenger und Rafael Benitez aus der englischen Liga in Frage. Oder schaut sich Real in Deutschland um? Pep Guardiola will sich nächstes Jahr nochmal bei den Bayern in München beweisen. Jürgen Klopp wäre frei. Seine Stärke liegt allerdings in der Ansprache, der Motivation. Vielleicht legt er ja jetzt das englische Wörterbuch zur Seite und tauscht es gegen ein spanisches aus.