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Politik

Keine Bananenrepublik

Soric Miodrag Kommentarbild App
Miodrag Soric
8. Februar 2017

Seit seinem Amtsantritt hat US-Präsident Trump einige voreilige Entscheidungen wie den Einreisstopp gefällt. Doch die Demokratie in den USA funktioniert - für Katastrophenszenarien ist es zu früh, meint Miodrag Soric.

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USA Protestantin vor dem  9. US Berufungsgericht in San Francisco
Bild: Reuters/N. Berger

Wenn es um die USA geht, neigen die Medien in Europa zur Hysterie. Seit der Präsident Donald Trump heißt, beschwören viele den Untergang des westlichen Abendlandes. Sie belehren die Amerikaner, was Demokratie sei; oder sie stellen Fernanalysen über die psychische Zurechnungsfähigkeit des US-Präsidenten an. Es erinnert fatal an den Beginn der 80er Jahre. Damals hieß das Schreckgespenst im Weißen Haus Präsident Ronald Reagan. Auf dem alten Kontinent waren Millionen entsetzt. Heute erinnern sie sich nur ungern an diese Zeit.

In Europa ist das Glas immer halb leer. In den USA stets halb voll.

Justiz funktioniert

DW-Washington-Korrespondent Miodrag Soric
DW-Washington-Korrespondent Miodrag Soric

So bedenklich ein Präsident Trump auch sein mag: Für Katastrophenszenarien ist es zu früh. Die USA sind keine Bananenrepublik, sondern eine stabile Demokratie, die mehrere wenig qualifizierte Präsidenten überlebt hat. Amerika verfügt über funktionierende Institutionen. Sie knicken - anders als in autoritären Staaten - nicht ein vor der Macht des Präsidentenamtes. Auch nicht vor Donald Trump.

Zwar hat dieser die voreilige Entscheidung gefällt, die Grenzen für Menschen aus sieben mehrheitlich muslimischen Ländern zu schließen. Doch ein Richter, der über 40 Autostunden von der Hauptstadt entfernt lebt, hob dessen Verfügung zumindest zeitweise auf. Und streute damit Sand ins Präsidialgetriebe. Jetzt beschäftigen sich andere, höhere Gerichte mit der Rechtmäßigkeit von Trumps Dekret. Bis der Fall vor dem Obersten Gerichtshof des Landes landet, können Tage oder Wochen vergehen.

Proteste vom Volk - und aus der Wirtschaft

Inzwischen erheben die Ikonen der amerikanischen Wirtschaft - Google, Facebook, Microsoft und viele andere - ihre Stimme gegen Trumps Entscheidung. Jede Einschränkung der Einwanderung könnte für sie negative Folgen haben: Es würde qualifizierte Kräfte hindern, in die USA zu kommen. Auf sie ist Silicon Valley angewiesen. Die Softwareindustrie unterstellt Trump, die amerikanische Wirtschaft zu schädigen. Schwerer Tobak.

Nicht genug damit. Tausende Amerikaner demonstrieren in allen Teilen des Landes gegen die neue Administration. Gegen das organisatorische Chaos, welches Trumps Verfügung etwa an den Flughäfen hervorgerufen hat.

Sie und andere Amerikaner stören Trumps persönliche Attacken - diesmal gegen Richter, die nicht seiner Meinung sind. Unter den Kritikern auch führende Republikaner. Die Folge: Trumps Beliebtheitswerte gehen in den Keller. Zur Freude vieler Nachrichtenkanäle, die Trump täglich wegen ihrer Berichterstattung angreift, die das aber nicht anficht.

Kurzum, Amerikas Demokratie funktioniert. Eine offenbar überhastet und schlecht vorbereitete Entscheidung des Präsidenten wird öffentlich kritisiert, von Gerichten infrage gestellt. Niemand, auch nicht der Präsident, stehen in den USA über dem Gesetz.

Folglich ist der Erhobene Zeigefinger vieler Europäer fehl am Platz. Amerika ist mehr als nur Trump.

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