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Kommentar: Keine Narrenfreiheit für den Geschichtsfälscher

Peter Philipp21. Februar 2006

Der als Holocaust-Leugner angeklagte britische Buchautor David Irving ist in Wien zu drei Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden. Ein angemessenes Urteil, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

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David Irving muss für drei Jahre ins GefängnisBild: AP

Wenn einer behauptet, die Erde sei eine Scheibe, dann wird ihn keiner ernst nehmen - aber niemand wird ihn deshalb vor Gericht bringen. Denn was der Mann da behauptet, das fällt nicht unter Meinungs-, sondern eher unter Narren-Freiheit.

Wenn aber einer daherkommt und den Völkermord der Nazis an den Juden und die Gaskammern von Auschwitz bestreitet, dann geht man anders mit ihm um. Zumindest in einer Reihe europäischer Staaten, die solche Äußerungen unter Strafe gestellt und bereits in Dutzenden von Fällen verfolgt haben.

Gerichtssaal als Bühne der Holocaust-Leugner

Besonders in Deutschland und in Österreich, aber auch in Frankreich, Großbritannien und der Schweiz sind solche Prozesse geführt worden. Teilweise mit zweifelhaftem Erfolg, denn die Verurteilten verstanden es immer wieder, ihre Thesen erneut zu verbreiten. Das ist spätestens mit dem Internet ja auch sehr leicht geworden. Und meist waren die Prozesse eine willkommene Gelegenheit für die Angeklagten, sich noch einmal in aller Öffentlichkeit zu produzieren - sicher mit ein Grund für das Wiener Gericht, den Prozess des britischen Holocaust-Leugners David Irving so kurz zu halten wie irgend möglich und ihn nicht auf Bewährung freizulassen: Irving wurde am Montag (20.2.2006) zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Der Fall hat wieder einmal die Diskussion über die zugrunde liegende Rechtslage in Gang gebracht. Und wieder einmal ist von Meinungsfreiheit die Rede und unterschwellig sehr viel von der Unterdrückung derselben zu Gunsten der Juden. Genau das aber macht Fälle wie den von Irving so anders als die - fiktive - Behauptung, die Erde sei eine Scheibe: Hinter Irving und allen anderen Geschichtsfälschern stehen rechtsextreme und rassistische Gruppen, die ihr politisches Unwesen treiben und denen die Schriften dieser Leute als Katechismus dienen. Und neuerdings kommt auch noch der iranische Präsident Mahmoud Ahmadinedschad hinzu, der die Holocaust-Leugner bereits zu einer internationalen Konferenz eingeladen hat, um den "Mythos" des Juden-Mordes zu "entlarven".

Gefährliche Rattenfänger

Teheran wird nun zumindest auf Irving verzichten müssen. Aber Antisemiten und Rechtsradikale weltweit werden ihr Handwerk weiter betreiben. Und ihnen ist ein Irving im Gefängnis vielleicht sogar mehr wert als in Freiheit: "Märtyrer" haben nun einmal immer mehr Ausstrahlung.

Deswegen meinen manche, Leute wie Irving sollte man doch einfach ignorieren. Sie würden dadurch uninteressant und in Vergessenheit geraten. Erfahrungsgemäß steigern sie dann aber ihre Provokationen, bis man eben doch einschreiten muss. Sie brauchen die Öffentlichkeit - selbst wenn ihnen dies letztlich schadet. So hatte Irving seinen Prozess in Wien durch die bewusste Einreise nach Österreich ja selbst provoziert.

Andere hingegen mahnen, man könne die ungesühnte Verbreitung solcher Thesen den Überlebenden des Holocaust nicht zumuten. Und wieder andere wollen einfach dafür sorgen, dass "Rattenfänger" (= hier: Verführer, Anm. d. Red.) dieser Art keine Chance mehr haben. Solche Leute sind gefährlich, das haben wir in Deutschland erlebt. Und deswegen dürfen sie nicht Meinungsfreiheit für sich beanspruchen und darf ihnen auch Narrenfreiheit nicht gewährt werden.