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Kommentar: Kreative Haushaltsführung

Karl Zawadzky26. November 2001

Der Bundestag debattiert den Bundesetat 2002, dabei steht der Sparkurs von Bundesfinanzminister Hans Eichel auf dem Prüfstand.

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Kämpft für seinen Konsolidierungskurs: "Sparminator" Hans Eichel im Deutschen BundestagBild: AP

Die Konjunktur ist eingebrochen, eine Rezession kündigt sich an, die Arbeitslosigkeit wird im Winter die Vier-Millionen-Grenze übersteigen. Und was macht der Finanzminister? Er hält unverändert die Hand auf der Kasse. Denn für milliardenschwere Konjunkturprogramme ist erstens kein Geld vorhanden. Und zweitens bringen sie nichts außer zusätzlicher Staatsverschuldung. Recht hat Bundesfinanzminister Hans Eichel. Doch in der am Dienstag beginnenden Haushaltsdebatte des Bundestages wird er einen schweren Stand haben. Zwar kann er sich auf die Solidarität des Bundeskanzlers und der Koalitionsfraktionen verlassen, doch die Opposition wird die Gunst der Stunde nutzen und versuchen, Eichel zu einem der Hauptsündenböcke für die konjunkturelle Fehlentwicklung zu machen.

Eichel weicht von seinem Kurs nicht ab. Die konjunkturellen Probleme sind kein Grund, die Sanierung des Bundeshaushalts in die weitere Zukunft zu verschieben und wieder in das süße Gift der Staatsverschuldung zu flüchten. In der Detailberatung des Bundestags-Haushaltsausschusses hat der Finanzminister zwar Umschichtungen und Ergänzungen vorgenommen, aber die Eckwerte des Etatentwurfs nicht verändert, der angesichts des bevorstehenden Abschieds von der Mark vorausschauend in Euro aufgestellt worden ist. Als Gesamtausgaben des Bundes sind für das kommende Jahr 247,5 Milliarden Euro vorgesehen.

Die Steigerungsrate der Ausgaben im Vergleich zum Bundeshaushalt für das laufende Jahr beträgt 1,5 Prozent und ist damit in etwa gleich hoch wie die für 2002 angenommene Zunahme des Bruttoinlandsprodukts. Die in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehene Obergrenze von 21,1 Milliarden Euro für die Netto-Neuverschuldung ist eingehalten worden.

Der Einbruch der Konjunktur läßt die Steuerquellen weniger stark sprudeln als das ursprünglich abzusehen war. Das schwächt die Einnahmeseite des Etats um voraussichtlich 2,7 Milliarden Euro. Auf der Ausgabenseite schlagen die wegen der zunehmenden Arbeitslosigkeit steigenden Zuschüsse zur Arbeitslosenversicherung zu Buche; das kostet etwa 3,3 Milliarden Euro zusätzlich. Hinzu kommt noch die Finanzierung des deutschen Beitrags zur Anti-Terror-Koalition, ein steigender Zuschuß zur Rentenversicherung sowie zusätzlicher Aufwand für das Kindergeld. Insgesamt hatte der Bundesfinanzminister in den letzten Wochen eine Deckungslücke von rund acht Milliarden Euro zu bewältigen, wahrlich kein Pappenstiel.

Eichel hat seinen Etatentwurf unter die Überschrift gestellt: "Konsolidieren und Gestalten." Das ist nicht ganz falsch, aber gleichzeitig nicht ganz zutreffend. Dabei kann der Finanzminister sich darauf berufen, daß außergewöhnliche Umstände außergewöhnliche Maßnahmen erzwingen. Nur vor diesem Hintergrund ist der Griff in die finanzpolitische Trickkiste zu rechtfertigen, mit dem Eichel wie einst Finanzminister Theo Waigel für den Bund eine Geldquelle erschließt.

Diesmal sollen nicht Telekom-Aktien, sondern Aktien aus dem Bundesanteil der Deutschen Post an die bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau verkauft werden. Deren Vorstand wird sich Eichels Ansinnen kaum verschließen können, aber darauf bestehen, daß der Bund das Kursrisiko trägt. Das heißt: Eichel füllt im kommenden Jahr die Bundeskasse und muß eventuell im Jahr drauf der Bank einen Verlustausgleich zahlen. Das nennt man kreative Haushaltsführung. Nicht viel anders verhält es sich mit dem Verkauf der bundeseigenen Ausgleichsbank an die ebenfalls bundeseigene Kreditanstalt für Wiederaufbau. Da legt der Bund zwei ihm gehörende Unternehmen zusammen und macht einen glänzenden Schnitt. Zu Gute kommen Eichel dann noch die seit dem ersten Etatentwurf gesunkenen Zinsen sowie verringerte Abführungen an die EU-Kasse.

Das Glück ist mit dem Kreativen, läßt sich da nur feststellen. Denn unter dem Strich geht Eichels Zahlenwerk auf. Die Neuverschuldung sinkt wie geplant; das Markenzeichen des "Sparminators" wird nicht angekratzt. Hans Eichel kann sich dem staunenden Publikum selbst in der Konjunkturkrise als solider Kassenwart und als Sanierer der Bundesfinanzen präsentieren. Allerdings hat sein Etatentwurf doch noch einen unübersehbaren Schönheitsfehler. Denn Eichel konnte Einnahmen und Ausgaben nur dadurch in Übereinstimmung bringen, indem er die Investitionen weiter verringert hat. Das ist mit Blick auf die durchhängende Konjunktur genau das falsche Signal.