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Politik

Links wirkt - aber selten

16. Juni 2017

Vor zehn Jahren vereinigte sich die ostdeutsche PDS mit der westdeutschen WASG zur neuen Partei "Die Linke". Anlass war ein Kurswechsel der SPD. Doch die Bilanz der Linken fällt zwiespältig aus, meint Marcel Fürstenau.

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Die Linke
Bild: Picture-Alliance/dpa/M. Schutt

Am 16. Juni 2007 schlug die Geburtsstunde der Partei Die Linke. Die Wehen hatten aber schon viele Jahre früher eingesetzt. Nur merkte das 1999 noch niemand. Damals präsentierten der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder und der britische Premierminister Tony Blair ihre Reformideen für einen Kurs der politischen Mitte. Das Schröder-Blair-Papier war die Betriebsanleitung für den radikalen Um- und Abbau des Sozialstaats. Es war ein Stich ins Herz vor allem des Gewerkschaftsflügels der deutschen Sozialdemokratie. Die Schmerzen setzten aber erst ein, als aus Theorie Praxis wurde.

Die Umsetzung erfolgte zwischen 2003 und 2005 während der zweiten rot-grünen Koalition. In diese Zeit fiel auch die Gründung der "Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit" (WASG). Ihr Zugpferd wurde Schröders kurzzeitiger Finanzminister Oskar Lafontaine. Ohne den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Lafontaine hätte es die Vereinigung mit der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) wohl nie gegeben. Und es muss auch reine Spekulation bleiben, welchen Stellenwert die aus der DDR-Staatspartei SED entsprungene PDS ohne diese Fusion im deutschen Parteienspektrum heute noch hätte.

Der ganz große Wurf blieb aus

Für die vor zehn Jahren gegründete Linke gilt: Sie hat sich etabliert, aber der ganz große Wurf blieb aus. Davon könnte die Rede sein, wenn die Partei auch in den bevölkerungsreichen westdeutschen Flächenländern fest verankert wäre. Aber davon ist sie fast so weit entfernt, wie es die PDS vor der Fusion mit der WASG immer war. Lediglich in Hessen schaffte sie zweimal in Folge den Einzug ins Parlament. Zu wenig, um dem Anspruch gerecht zu werden, ein gesamtdeutsches politisches Schwergewicht zu sein.

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
DW-Hauptstadtkorrespondent Marcel FürstenauBild: DW

Selbst in Lafontaines Heimat, im kleinen Saarland mit gerade mal einer Million Einwohnern, ist die Linke inzwischen von 21,3 Prozent (2009) auf nur noch 12,8 Prozent (2017) gefallen. Die Bilanz im Westen ist also ernüchternd. Das hat auch damit zu tun, dass dort lange Zeit Dogmatiker den Ton angaben. Leute, die zu Zeiten der deutschen Teilung einen mitunter erschreckend unkritischen Blick auf die DDR hatten. Die hofften, mit der neuen Linken die Republik aufmischen zu können. Mit einer auf Fundamentalopposition getrimmten Rhetorik, die in der alten, antikommunistisch geprägten Bundesrepublik besonders abschreckend wirkt.

Wo die Linke mitregiert, herrscht purer Pragmatismus

Ganz anders sieht es im Osten aus. In Thüringen stellt sie mit Bodo Ramelow seit 2014 sogar den ersten linken Ministerpräsidenten. In Berlin, wo sie bis 2011 schon einmal mit der SPD koalierte, tut sie das seit dem vergangenen Jahr erneut. Jetzt gemeinsam mit den Grünen. Und in Brandenburg gibt es seit 2009 ein rot-rotes Bündnis. Überall, wo die Linke mitregiert, macht sie das pragmatisch und weitgehend geräuschlos. Und setzt dabei Akzente, die von einer sich sozialistisch verstehenden Partei erwartet werden müssen: also vor allem in der Sozialpolitik.

Die Linke ist ohne Zweifel regierungsfähig - auf kommunaler, regionaler und auf Landesebene. Für den Bund gilt das aber nur sehr eingeschränkt - auch wenn die Partei dort als die momentan stärkste Oppositionskraft oft gute Arbeit geleistet hat. So wäre die Einführung des Mindestlohns ohne ihren starken Druck auf SPD und Union undenkbar. Links kann also mitunter ganz konkret wirksam sein - auch wenn es darum geht, die Widersprüchlichkeit der Politik von Kanzlerin Merkel in der schwarz-roten Koalition auf anderen Feldern anzuprangern.

Kompromisslose Außen- und Sicherheitspolitik

Dazu zählen höchst fragwürdige Rüstungsexporte in Länder wie Saudi-Arabien, deutsche Spardiktate in der Europäischen Union oder die Wohlhabende und Millionäre verschonende Steuerpolitik auf Kosten ärmerer Bevölkerungsschichten. Das alles in einem rot-rot-grünen Bündnis zu ändern - davon träumt die Linke seit ihrer Gründung. Den dafür fehlenden Wählerauftrag hat sie bei aller berechtigten Kritik an SPD und Grünen aber auch sich selbst zuzuschreiben: Weil sie in der ersten Dekade ihres Bestehens in Fragen der Sicherheits- und Bündnispolitik keinerlei Kompromissbereitschaft erkennen ließ.

Letzter Beleg dafür war der Bundesparteitag am vergangen Wochenende. So lange die Linke mit ihrem Wählerpotenzial von zehn Prozent gefühlt fast 100 Prozent ihres Wahlprogramms umsetzen will und ansonsten lieber in der Opposition bleibt, wird sie dort auch bleiben. Zu Recht. 

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Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland