1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Merkel ist das Programm

Volker Wagener10. April 2015

Seit dem 10. April 2000 ist sie Hausherrin im Konrad-Adenauer-Haus. Angela Merkel hat der CDU in 15 Jahren mehr als nur eine Runderneuerung verpasst. Sie hat sie zu ihrer Partei gemacht, meint Volker Wagener.

https://p.dw.com/p/1F5qv
Merkel beim CDU Parteitag in Köln 09.12.2014
Bild: Getty Images/S. Gallup

Wer viel reist, bekommt viel über Angela Merkel zu hören. Erstaunliches zumeist. Putin achtet sie, heißt es von denen, die die russische Seele kennen. In Washington spricht sie inzwischen auf Augenhöhe vor. In Afrika lieben sie ihre Bescheidenheit, auf dem Balkan bestaunt man ihre lautlose Domestizierung männlicher Alphatiere. Merkel, so scheint es, steht kurz vor der Heiligsprechung. Zu Lebzeiten, wohlgemerkt! Wir, die Medien, die sogenannte vierte Gewalt im Staate, sind maßgeblich als Zeremonienmeister an der Denkmalpflege beteiligt. "Kniefall vor der Alternativlosen" oder "Angela Royal" sind Beispiele journalistischer Ehrerbietung, manchmal auch plumper Anbiederung. Gleichzeitig fragen wir immer noch nach dem Warum? Was sind die Muster ihrer Erfolgs-DNA? Bescheiden im Auftritt, sparsam in Gestik und Mimik, dürftig in der Rhetorik: Sie bleibt ein Anti-Typ im politischen Betrieb der Selbstdarsteller. Das ist ein Phänomen.

Die Partei ist sie

15 Jahre Parteichefin der CDU zu sein, täuschen eine Kontinuität vor, die die Union gerade nicht auszeichnet. Aus der alten Kohl-CDU, einem Männerverein mit wenigen Alibi-Frauen in der Spitze, ist eine gänzlich neue Partei entstanden. Allerdings keine mit schärferen Konturen. Ganz im Gegenteil. Merkel hat die konservative, wirtschaftsfreundliche CDU in einer Weise sozialdemokratisiert, dass Widerstand und Tumulte an der Basis gegen die Parteivorsitzende nur deshalb ausblieben, weil der Glanz der Kanzlerschaft auch der Partei zugute kam. Zum Vergleich: Ähnliche inhaltlich-programmatische Eruptionen bei der SPD im gleichen Zeitraum haben fünf Parteivorsitzende verschlissen und den amtierenden beschäftigen sie noch heute.

Die CDU hat unter Merkel Tafelsilber abgegeben. Das Konservative ist in den Hintergrund gerückt, das katholische Element ebenfalls. Die Wehrpflicht ist abgeschafft, der Atomausstieg verfügt. Die Frauenquote ist Realität, der Mindestlohn beschlossen und das Thema Einwanderung Konsens. Merkel entert die Mitte, sagen die einen. Wo der Kompass fehlt, stimmt jede Richtung, frotzeln frustrierte Parteimitglieder. Merkel hat die Union zu dem gemacht, was sie selbst ist: vieles eben. Sie ist ideologiefrei, illusionslos, hat keine Visionen, aber pragmatisch ist sie - bis hin zur Langeweile. Schafft aber genau so Vertrauen beim Wähler. Sie punktet durch Schweigen mehr, denn durch Reden. Auf Kritik aus den eigenen Reihen geht sie oft gar nicht erst ein.

Deutsche Welle Volker Wagener Deutschland Chefredaktion REGIONEN
DW-Redakteur Volker WagenerBild: DW

Und selbst ihre politischen Gegner lässt sie mit sparsamen Mitteln ins Leere laufen. Vorbei die Zeiten, da die Frau aus dem Osten als "Mutti" veralbert wurde. Selbst bei dieser Spielart dezenter Opposition gegen sie, mag sie zu kontern. Unter #Muttivation verbreitet die Parteizentrale schon seit langem Erfolgsmeldungen über die Frau mit der Aura der Unantastbarkeit.

Die Misere der Partei im Windschatten der Merkel-Popularität

Und dennoch gibt es ein Problem mit der Causa Merkel: Ihr Erfolg ist in Teilen auf dem Rücken der Partei entstanden. Deshalb markieren Merkels Triumphe als Kanzlerin Niederlagen ihrer Partei in den Ländern, ohne ihre Macht auszuhöhlen. Nur noch fünf der 16 Bundesländer werden schwarz regiert. Und auch in den Großstädten musste die CDU Federn lassen. Berlin, Hamburg und München sind rot, Frankfurt auch. In der Wirtschaftsmetropole Stuttgart gibt sogar ein Grüner den Ton an. Mit der einstigen Protestpartei Bündnis90/Die Grünen ist der Union ein echter Konkurrent neben der SPD erwachsen - allerdings auch eine Option für Koalitionen. Was tröstlich ist für die Konservativen. Ist doch mit dem plötzlichen Tod der Liberalen der CDU ihr natürlicher Partner verloren gegangen. Dennoch: Merkel muss um die Gefolgschaft in der Partei nicht bange sein. Ist doch die mangelnde Streitkultur in der CDU schon Legende: brav, braver, christdemokratisch.

Sie können unterhalb dieses Artikels einen Kommentar abgeben. Wir freuen uns auf Ihre Meinungsäußerung!