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Kommentar: Merkel setzt Signale

Matthias von Hein22. Mai 2006

Merkels "Spaziergangdiplomatie" in Peking hat einen ernsten Hintergrund: Die Kanzlerin hatte schwierige Themen anzupacken.

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Aus den frühen 1970er Jahren stammt im Zusammenhang mit China der Begriff der "Ping-Pong-Diplomatie". Die Annäherung zwischen den ehedem verfeindeten USA und China war durch den Besuch eines Tischtennisteams vorbereitet worden. Vielleicht wird jetzt der Begriff "Spaziergangdiplomatie" Einzug ins politische Vokabular halten. Ein entspannter Morgenspaziergang im Park mit Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao - so begann am Montag (22.5.) der offizielle Teil des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in China. Auch mit Staats- und Parteichef Hu Jintao traf sie zusammen; sie sprach auf einem Hochtechnologieforum und sie traf Vertreter der chinesischen Zivilgesellschaft.

Kontinuität der Außenpolitik

Es gehört zu den Gesetzmäßigkeiten deutscher Politik, dass auch nach einem Regierungswechsel in der Außenpolitik nach Kontinuität gestrebt wird. Das gilt erst recht für die Beziehungen zu China. Es ist immerhin Deutschlands wichtigster Handelspartner in Asien und bedeutender Akteur auf allen Feldern der internationalen Politik - seien es die Atomkrisen mit dem Iran oder Nordkorea, sei es die Reform der Vereinten Nationen, seien es Konflikte in Afrika wie etwa im Sudan.

Innerhalb dieses engen Rahmens hat Angela Merkel in Peking durchaus Akzente gesetzt. Wie sehr, macht der Blick zurück deutlich: Vor elf Jahren noch stattete der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl einer Kaserne der Volksbefreiungsarmee einen Besuch ab - ausgerechnet einer Einheit, die an der Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 beteiligt war.

Merkel setzt Signale

Und Merkels Vorgänger Gerhard Schröder überraschte das deutsche Publikum von China aus mit der Absicht, sich für ein Ende des EU-Waffenembargos gegen China einzusetzen und den Verkauf der Hanauer Nuklearfabrik an China die Wege zu leiten. Angela Merkel aber setzte andere Signale: Sie ließ keines der schwierigen Themen aus, fand klare Worte für die Menschenrechte. Sie vertrat deutlich die deutschen Wirtschaftsinteressen und kritisierte den grassierenden Ideenklau. Und vor allem: Sie traf neben den Spitzen des chinesischen Staates auch zivilgesellschaftliche Vertreter von jenen, die in China ganz unten stehen: Bauern und Wanderarbeiter.

Eigentlich hatte Merkel mit ihrem Besuch noch bis Herbst warten wollen. Das aber schien der chinesischen Seite zu spät. Vor allem, weil Merkel bereits zweimal den anderen beiden Weltmächten in Washington und Moskau ihre Aufwartung gemacht hatte. Das vertrug sich schlecht mit dem wachsenden Selbstbewusstsein der dritten Weltmacht China. Im Ergebnis steht ein 38-stündiger Blitzbesuch, bei dem Merkel auf ausdrücklichen chinesischen Wunsch auch die Glitzermetropole Shanghai besuchte. Es spricht für den nüchternen Stil der Kanzlerin, dass sie die Eindrücke der Hochhausschluchten und des Transrapids nicht für sich stehen lässt, sondern mit den Äußerungen derjenigen kontrastiert, auf deren Rücken das chinesische Wirtschaftswunder errichtet wird.