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Kommentar: Moral ist etwas für andere

Peter Philipp31. Oktober 2005

Die Schmiergeldzahlungen im Rahmen des "Oil-for-Food"-Programms zeigen, wie schwierig es werden könnte, den Iran mit Sanktionen zu belegen, meint Peter Philipp in seinem Kommentar.

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Es könnte ein Lehrstück sein für künftige Versuche, einen reichen Staat mit Sanktionen zu belegen. Etwa den Iran, sollte er in der Atomfrage nicht doch noch nachgeben. Handelsrestriktionen sind gegen ein solches Land nur schwer durchsetzbar und noch schwerer einhaltbar, weil den Verlockungen der Petrodollar auch jene zu erliegen drohen, deren Regierungen doch an erster Stelle die Sanktionen verordnet haben.

Im Fall des Irak unter Saddam Hussein waren es über 2000 internationale Firmen, die aus der Not eine Tugend machten. Oder eigentlich: Aus der Not der durch Sanktionen gebeutelten Iraker ein einträgliches Geschäft für die eigene Kasse. Und für die Kasse des Diktators in Bagdad. Die Vereinten Nationen hatten nach dem Kuwait-Krieg beschlossen, dass Lebens- und Arzneimittel sowie einige andere notwendige Güter aus den Einnahmen des stark limitierten irakischen Ölexports bezahlt würden.

Lebensmittel für Geld

Wie ein über 600 Seiten langer Untersuchungsbericht feststellt, entwickelte sich dieses "Oil-for-food"-Programm zu einer Maschinerie der wundersamen Geldvermehrung. Bedenkenlos forderte Saddam Hussein seine "Kickbacks" für fast jeden Import und strich dadurch Milliarden ein, aus denen er unter anderem westliche Gegner der Sanktionen - so genannte "Friedensaktivisten" - reichlich bedenken konnte. Ebenso bedenkenlos aber profitierten weltweit auch die namhaftesten Firmen und deren Repräsentanten von dem System.

Und selbst an UN-Mitarbeitern ging das nicht vorbei. Der exponierteste von ihnen war lange Zeit der Deutsche von Sponek. Er beaufsichtigte in Bagdad das Programm "Öl für Lebensmittel" und wurde zu einem der prononciertesten Gegner des Sanktionsregimes. Der Untersuchungsbericht bescheinigt dem ehemaligen UN-Beamten ausdrücklich, "nicht gegen UN-Bestimmungen verstoßen" zu haben. Um dann aber gleich zu empfehlen, die UN-Regeln sollten doch wohl am besten überarbeitet werden: Nach seinem Ausscheiden aus der UNO trat von Sponek in die Dienste mindestens zweier Firmen, die zu seiner Zeit am Irak-Geschäft beteiligt waren.

Moral ist nicht zu erwarten

Aber zurück zu den "Kickbacks" und Schmiergeldern. Auch einige der wichtigsten deutschen Unternehmen werden im Untersuchungsbericht genannt. Die einen äußern sich nicht, andere versuchen, ihre Rolle zu verharmlosen. Oder aber man weist darauf hin, dass sich bisher ja noch nicht einmal ein Staatsanwalt dafür interessiert hat. Als ob es darum ginge: Jahrzehntelang war es selbstverständlich, dass die Wirtschaft Exporte in weniger demokratische Länder mit "Kickbacks" und anderen "Erkenntlichkeiten" schmierte, um die Konkurrenz auszustechen. Und lange, allzu lange konnten solche Aufwendungen sogar von der Steuer abgesetzt werden.

Wo sollte sich da plötzlich ein moralisches Wertegefühl entwickeln? Geschäft ist Geschäft und Moral ist etwas für andere. Die Politik exerziert dies ja selbst nur allzu oft vor. Warum sollten dann die Gewissensbisse bekommen, die beim Geldverdienen an vorderster Front eingesetzt sind?