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Mutige Schritte gefragt

Henrik Böhme16. Oktober 2008

Nur noch 0,2 Prozent Wachstum 2009: Die deutsche Wirtschaft steht vor einer schwierigen Phase. Gefragt sind jetzt weitere mutige Schritte der Regierung - meint Henrik Böhme.

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Bild: DW
Kommentarbild Henrik Böhme Bonn Deutsch

"Finanzkrise beutelt die Luftfahrt“ – „Autobauer steuern auf die Krise zu“ – „IT-Branche kommt unter die Räder“: Das sind nur drei von vielen Negativ-Schlagzeilen eines einzigen Tages. Sie zeigen: Die Stimmung hat sich dramatisch gedreht – innerhalb nur eines halben Jahres. Noch im Frühjahr war Optimismus allerorten zu vernehmen – und jetzt, im grauen Herbst, tun alle so, als sei morgen das Ende aller Tage.

In der Tat hat es die Welt mit einer Finanzmarktkrise historischen Ausmaßes zu tun. So etwas gibt es wohl nur einmal in einem Menschenleben. Noch weiß niemand, ob die geschnürten Rettungspakete ausreichen, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. In vielen Bilanzen dürfte noch der eine oder andere Sprengsatz lauern, der das labile Weltfinanzsystem jederzeit wieder in seinen Grundfesten erschüttern kann. Zumal das allerwichtigste Bindemittel des gesamten Systems derzeit nicht vorhanden ist: Nämlich Vertrauen. So lange sich die Banken gegenseitig misstrauen, so lange kann man nicht erwarten, dass die Menschen den Rettungsversuchen der Politik trauen. Und so kommt eins zum anderen: Man hält sein Geld zusammen: Der nächste Urlaub findet um die Ecke statt, der geplante Autokauf wird auf den St. Nimmerleinstag verschoben und auch der alte PC muss eben weiter seinen Dienst tun. So denken alle, ob Privatmensch oder Unternehmer. Investitionen werden zurückgestellt, dafür Kostensenkungsprogramme aufgestellt.

Noch immer aber ist das Ganze nur eine Finanzmarktkrise – wenn auch eine gewaltige - und noch keine Weltwirtschaftskrise. Der Abschwung, den die westlichen Volkswirtschaften – die deutsche eingeschlossen – derzeit sehen, ist schon länger zugange und nicht ausgelöst worden durch die Finanzkrise. Natürlich wird das, was in diesen Tagen immer als die Realwirtschaft bezeichnet wird, Schaden nehmen. Doch trotz aller Untergangstheorien sollte man die Realität auch zur Kenntnis nehmen: Die Produktionspausen in den deutschen Automobil-Werken wurden schon vor Monaten ausgehandelt, weil dort kluge Köpfe sitzen, die wissen: Jeder Aufschwung geht einmal zu Ende. Auch die deutschen Maschinenbauer haben eine Boomphase ohne Beispiel hinter sich. Auch dort weiß man, dass man im kommenden Jahr kleinere Brötchen backen muss. Aber noch reicht die Arbeit für viele Monate – und wer sich klug verhält, der kommt damit sicher auch über eine längere Schwächephase. Schließlich werden momentan Rohstoffe wieder billiger – und der quälend teure Euro ist für die exportlastige Branche auch kein Thema mehr. Das könnte also durchaus entspannend wirken.

Auch der deutsche Arbeitsmarkt, der in den vergangenen beiden Jahren eine positive Entwicklung erlebt hat, wird nicht von heute auf morgen zusammenbrechen. Noch in diesem Jahr wird die Zahl der Arbeitslosen wieder unter drei Millionen sinken. Einen dramatischen Anstieg im kommenden Jahr hat derzeit kein Experte auf dem Radar.

Und auch, wenn die reflexartigen Rufe nach einem staatlichen Konjunkturprogramm Unsinn sind: Natürlich sollte die Bundesregierung den Mut behalten, den sie bislang bei der Bewältigung der Finanzmarktkrise bewiesen hat: Sie sollte antizyklisch handeln – und beispielsweise die Mehrwertsteuer um jene drei Prozent senken, um die sie diese Steuer in besseren Zeiten angehoben hat. Jetzt, da das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts sowieso aufgegeben werden musste, kommt es auf die paar Milliarden auch nicht mehr an. Wichtiger wäre es, den Konsum anzukurbeln und öffentliche Investitionen vorzuziehen. Man muss das nicht Konjunkturprogramm nennen – aber es käme auf dasselbe raus. Nichts zu tun, würde den Steuerzahler am Ende mindestens genauso viel kosten. Und dass diese Große Koalition in Berlin auch ein Jahr vor der nächsten Wahl handlungsfähig ist, das hat sie in den vergangenen Tagen bewiesen. Sie sollte den Schwung beibehalten.

Es wird zum Glück nicht nur schwarz gemalt in diesen durchaus dramatischen Tagen. Und deshalb zum Schluss drei positive Schlagzeilen eines Tages: „Deutscher Einzelhandel spürt nichts von Krise“ – „Edeka schafft 25.000 Stellen“ - und: „Unternehmen sehen keinen Anlass zur Panik“.