1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kommentar: Nach dem Tod Milosevics droht seine Verklärung zum Märtyrer

Verica Spasovska 11. März 2006

Knapp fünf Jahre lang war Slobodan Milosevic Untersuchungshäftling des Haager Kriegsverbrechertribunals. Es misslang ihm in dieser Zeit, geschehenes Unrecht aufzuarbeiten. Ein Kommentar von Verica Spasovska.

https://p.dw.com/p/86SI
Spasovska1x.jpg
Verica Spasovska

Der Tod von Slobodan Milosevic kam zur Unzeit. Das Verfahren gegen den Mann, dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord vorgeworfen wurden, kann nun nicht mehr vom UN-Kriegsverbrechertribunal zu Ende gebracht werden. Das wird Folgen für die ohnehin schwierige Aufarbeitung der Geschichte in Serbien haben, wird den radikalen und nationalkonservativen Kräften in Serbien Auftrieb geben und setzt das Haager Tribunal unter ernormen Zugzwang, seine Arbeit glaubwürdig fortzusetzen.

Schatten über Den Haag

Milosevics Anhänger, die das Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ohnehin als Instrument des Westens zur Gängelung Serbiens verteufeln, haben in ihren ersten heftigen Reaktionen deutlich gemacht, dass sie das Tribunal für den Tod von Milosevic verantwortlich machen. Der Politiker war zwar bereits vor seiner Inhaftierung herzkrank, doch hätten die Umstände im Gefängnis seinen Zustand weiterhin verschlechtert, lautet ihre Anschuldigung. Schon der Selbstmord des serbischen Kriegsverbrechers Milan Babic vor einigen Tagen galt ihnen als Beleg, dass die Haager Justiz ihre Fürsorgepflicht gegenüber den Inhaftierten vernachlässige.

Rückschlag

Slobodan Milosevic, der ohnehin noch immer eine große Popularität in der serbischen Öffentlichkeit besitzt, dürfte nun endgültig zum Märtyrer verklärt werden. Das ist ein herber Rückschlag für alle Versuche des Westens, die serbische Öffentlichkeit mit der Verantwortung der serbischen Politiker für die Gewalt und die Kriege in den neunziger Jahren zu konfrontieren. Nun wird man in der serbischen Öffentlichkeit noch weniger bereit sein, gemeinsam mit Kroatien und Bosnien-Herzegowina die jüngste Vergangenheit zu bewältigen.

Strafe folgt auf dem Fuß

Auf das Haager Tribunal ist der Druck enorm gestiegen, so schnell wie möglich den noch flüchtigen Kriegsverbrechern Mladic und Karadzic den Prozess zu machen, um seine Autorität in der öffentlichen Wahrnehmung wiederherzustellen. Der Tod des Ex-Diktators kann von seinen Anhängern zwar instrumentalisiert werden, um die Öffentlichkeit gegen den Westen einzunehmen, er ändert jedoch nichts daran, dass sich die Politiker in Serbien den Altlasten des Krieges stellen müssen.

Ausblick

Was bedeutet sein unerwarteter Tod für die wichtigen politischen Fragen, die in den nächsten Wochen und Monaten geklärt werden müssen? Für die sich abzeichnende Abspaltung von Montenegro und die Gespräche über den künftigen Status der autonomen Provinz Kosovo, die nach dem Willen der albanischen Mehrheitsbevölkerung unabhängig werden soll?

Der Weg Montenegros in die Unabhängigkeit wird wohl auch von diesem Ereignis kaum berührt werden, denn damit hat sich ein Großteil der serbischen Öffentlichkeit mehr oder weniger abgefunden. Doch der Tod von Milosevic wird die Kosovo-Gespräche zusätzlich belasten, die seit der Wahl des ehemaligen UCK-Generals Adim Ceku zum neuen kosovarischen Ministerpräsidenten aus serbischer Sicht ohnehin unter einem schlechten Stern stehen. Im Westen darf man sich darauf gefasst machen, dass sich die Fronten weiter verhärten werden.

In der Verantwortung

Slobodan Milosevic kann nicht mehr bestraft werden für das, was er mit seiner Politik in Ex-Jugoslawien angerichtet hat. Das ist bedauerlich für den Prozess der Aussöhnung, aber dadurch werden diejenigen serbischen Politiker, die jetzt die Geschicke des Landes führen, nicht von der Verantwortung befreit, mit der Vergangenheit abzuschließen und Serbien weiter an die europäischen Strukturen heranzuführen. Sie haben nun die Wahl, den Tod des Ex-Diktators politisch zu instrumentalisieren, oder Reife zu beweisen und weiterhin konstruktiv mit dem Haager Tribunal zusammenzuarbeiten, um die Verhandlungen über die Assoziierungsgespräche nicht zu gefährden. Diejenigen, die wirklich die Interessen der serbischen Bevölkerung vertreten wollen, wissen genau, dass es dazu keine Alternative gibt.