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Kommentar: Nachfolge für Rugova nicht geregelt

Verica Spasovska 22. Januar 2006

Der moderate, dennoch unnachgiebige Präsident des Kosovo, Ibrahim Rugova, ist tot. Es wird politisch nicht einfach sein, einen Nachfolger zu finden. Verica Spasovska kommentiert.

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Düstere Aussichten für die Provinz Kosovo?Bild: dpa

Mit Ibrahim Rugova verlässt einer der wichtigsten Akteure die politische Bühne des krisengeschüttelten Kosovo. Sowohl Albaner als auch Serben würdigen seine gewaltfreie Politik. Obwohl er nie die Maximalforderung nach der Unabhängigkeit des Kosovo aus den Augen verlor. Moderat im Ton, unnachgiebig in der Sache, das charakterisierte das politische Wirken Rugovas, der nur wenige Tage vor den in Wien anberaumten Gesprächen über die Zukunft des Kosovo plötzlich verstarb.

Welche Konsequenzen hat sein Tod für die Zukunft des Kosovo? Zweifellos wird die politische Atmosphäre im Kosovo von der Debatte um seine Nachfolge belastet. Denn der schwerkranke Rugova hatte nicht dafür gesorgt, dass seine Nachfolge geregelt wurde. Es gibt keinen von allen Seiten akzeptierten designierten Politiker, der in der Lage wäre, das Präsidentenamt zu übernehmen.

Gespräche nicht ernsthaft gefährdet

Dennoch bedeutet der Tod Rugovas keine ernsthafte Gefahr für die unter internationaler Vermittlung geplanten Gespräche zwischen Kosovo-Albanern und Serben, die nun um wenige Tage verschoben wurden. Denn wegen seiner schweren Krebserkrankung konnte Rugova ohnehin seit Wochen nicht mehr wirklich eingreifen. Die jetzt eintretende Unterbrechung könnte sogar dazu führen, dass sich die beteiligten Gesprächsteilnehmer - Serben, Kosovo-Albaren und die internationale Staatengemeinschaft - neu sortieren, um die festgefahrenen Positionen zu überdenken.

Denn eines steht fest: Der Tod Rugovas ändert nichts an der schwierigen Ausgangslage der Statusgespräche: egal welcher Politiker Rugova nachfolgt, er wird auf die staatliche Unabhängigkeit des Kosovo bestehen. Die Serben werden dies ablehnen und ihrerseits lediglich eine weitreichende Autonomie anbieten. Die internationale Staatengemeinschaft wird Serben und Albaner zu einem Kompromiss drängen, aber eine ethnische Teilung der Provinz ablehnen. Denn ließe sie diese zu, wären die NATO-Luftangriffe auf Serbien im Nachhinein kaum zu rechtfertigen. Schließlich hatten die NATO-Bündnispartner Serbien mit der Begründung bombardiert, ethnisch motivierte Massaker wie in wenige Jahre zuvor in Bosnien zu verhindern.

Lösung noch nicht absehbar

Wie aber ist die Quadratur des Kreises in der Kosovo-Frage überhaupt zu lösen? Zurzeit scheint es unmöglich zu sein, eine Lösung zu finden, die von allen Seiten akzeptiert wird. Die serbischen Politiker, die mit Rücksicht auf Wählerstimmen die territoriale Integrität beschwören, müssen sich im Lichte der Realpolitik fragen lassen, ob sie überhaupt in der Lage wären, das Kosovo sicherheitspolitisch zu kontrollieren, obwohl 90 Prozent der Bevölkerung jegliche serbische Staatspräsenz ablehnen? Die internationale Staatengemeinschaft dürfte aber ebenfalls ihre Probleme mit der vollen staatlichen Unabhängigkeit des Kosovo haben, schon weil sie keine Präzedenzfälle auf dem Balkan schaffen will.

Auch ist das Kosovo von dem Ziel meilenweit entfernt, eine funktionsfähige multiethnische Gesellschaft zu schaffen. Sechs Jahre nach dem Abzug der Serben leben nichtalbanische Minderheiten im Kosovo weder sicher noch können sie von ihrem Recht auf Rückkehr Gebrauch machen.

Bliebe lediglich der Kompromiss, Kosovo von Belgrad unabhängig zu machen, ohne die volle Souveränität zu verleihen. Und dies würde bedeuten, dass die internationale Gemeinschaft auf Jahre hinaus im Kosovo präsent bleiben müsste. Damit würde sie zwar eine immense Bürde schultern, aber immerhin stünde sie zu der Verantwortung, die sie mit ihrer militärischen Intervention vor sieben Jahren übernommen hat.