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Strategie statt schießen

Christoph Hasselbach26. Oktober 2007

Bei der Konferenz der NATO-Verteidigungsminister im niederländischen Noordwijk haben die USA aufs Neue weitere Truppen für Afghanistan verlangt. Doch etwas Entscheidendes hat sich geändert, meint Christoph Hasselbach.

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Bild: DW

Viele NATO-Regierungen in Europa können die Forderungen nicht mehr hören: Ungefähr so lange, wie es die NATO-Mission in Afghanistan gibt, drängen vor allem die Amerikaner auf mehr militärisches Engagement. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer geht seit Jahren in den Hauptstädten um Soldaten, Hubschrauber und Transportflugzeuge betteln – und wird meist mit Unverbindlichkeiten abgespeist. Die deutsche Regierung hatte sich schließlich zusätzlich zu ihren umfangreichen Aktivitäten zur Entsendung der Aufklärungstornados durchgerungen. In den umkämpften Süden will sie die Soldaten nicht schicken. Das wäre angesichts einer skeptischen Öffentlichkeit und der politischen Gegebenheiten in Berlin wohl nicht drin.

Jetzt haben also eine ganze Reihe von Staaten noch einmal Truppen zugesagt, zusammen offenbar einige hundert, wobei abzuwarten bleibt, ob sie wirklich abgestellt werden.

Neuer Schwerpunkt auf Ausbildung

Doch interessant ist: Die Akzente bei diesen Forderungen haben sich verschoben: De Hoop Scheffer, aber auch der afghanische Präsident Hamid Karsai legen jetzt besonderen Wert auf die Ausbildung der afghanischen Streitkräfte. Schließlich, so der NATO-Generalsekretär, soll das Land mal auf eigenen Füßen stehen. Und hier sagte der deutsche Verteidigungsminister Jung in Noordwijk gleich eine Verdreifachung der Ausbildung zu.

Afghanistan soll auf eigenen Füßen stehen. In der Tat muss das die Grundlage des gesamten Afghanistan-Engagements der NATO sein. Aber diese Binsenweisheit war lange in Vergessenheit geraten. Die europäische Öffentlichkeit sieht die Afghanistan-Mission ihrer Streitkräfte nicht nur wegen der toten Soldaten so skeptisch, sie hat auch den Verdacht: Das ist ein Fass ohne Boden; es wird nie reichen.

Jahrzehntelang am Hindukusch

Aber wann wird Afghanistan auf eigenen Füßen stehen können? Kein Militär wäre heute so dumm, Termine zu nennen. Der Tag kommt niemals, sagen viele Beobachter. Es spricht jedenfalls einiges dafür, dass viele Jahre –, vielleicht sogar Jahrzehntelang NATO-Kräfte am Hindukusch gebunden sein werden. Aber dem westlichen Bündnis bleibt nichts anderes übrig. Eine Verschwendung von Menschenleben und Steuergeldern? Es stimmt, der Einsatz fordert hohe Opfer, und jeder tote Soldat ist einer zuviel. Aber was würde es kosten, wenn die radikalen Islamisten Afghanistan wieder übernähmen? Dann erst recht könnte man sagen, der ganze Aufwand habe sich nicht gelohnt.

Die NATO muss das Afghanistan-Projekt fortsetzen. Und dazu gehört der Kampfeinsatz gegen Taliban und Al-Kaida, auch wenn das in Deutschland am liebsten verschwiegen wird. Aber Washington hat offenbar erkannt: Es kommt nicht nur auf die Zahl der Kanonen an. Es geht um eine umfassende Strategie, zu der neben den Kampfeinsätzen auch der zivile Aufbau und die Ausbildung der einheimischen Sicherheitskräfte gehören. Im Irak wurde das vielleicht zu spät erkannt. In Afghanistan sollte die NATO die Lektion beachten.