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Kommentar: Nicht dem Terrorismus demokratische Werte opfern

Peter Philipp8. Juli 2005

Zu den Anschlägen auf die Londoner U-Bahn und einen Bus hat sich eine bisher unbekannte Gruppe bekannt, die mit dem Terrornetzwerk El-Kaida in Verbindung stehen soll. Peter Philipp kommentiert.

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Die Bilder sind bekannt, ebenso die allgemeine Verwirrung über die näheren Umstände, auch die empörten Verurteilungen hat man irgendwann in dieser oder ähnlicher Form schon gehört. Nach dem 11. September in New York, nach dem 11. März in Madrid oder nach anderen blutigen Terroranschlägen in anderen Teilen der Welt. Man muss sich den Verurteilungen natürlich anschließen. Denn was auch immer auf der Welt könnte die blinde Tötung von Zivilisten in Bussen, U-Bahnen oder Diskotheken rechtfertigen - wo sie ihren Alltagsgeschäften nachgehen oder sich von diesen erholen wollen?

Es gibt keine Rechtfertigung für Terroranschläge. Darüber ist man sich einig. Nicht nur in Europa und in den USA. Auch die Teilnehmer einer Islamkonferenz in Jordanien haben dies bekräftigt und muslimische Gelehrte haben das gerade bei einem Treffen in Berlin unterstrichen. Das sind wichtige Erklärungen.

Nichts wäre schlimmer als Allgemeinverdächtigung

Es gibt bereits ein Bekennerschreiber im Namen der El-Kaida. Aber nichts wäre schlimmer, als wenn mit London die Welle der Allgemeinverdächtigung wieder einsetzte, die die Muslime und den Islam generell verantwortlich macht für den Terror. Solche Verallgemeinerungen vertiefen nur den Graben und sie erleichtern es den Demagogen, willige Gefolgsleute zu finden, die die Verdächtigungen für Hass halten, Sicherheitsmaßnahmen für Abgrenzung und Kontrollen für Diskriminierung.

Ohne Kontrollen aber geht es nicht. Nur: Wie weit dürfen sie gehen? Auch dies wird wieder diskutiert werden nach den Anschlägen von London. Dabei steht aber doch fest, dass keine Kontrolle der Welt ein U-Bahn-System wie das in London zuverlässig absichern kann und auch nicht Linienbusse, die durch die Millionenstadt fahren. Kontrollen wie bei Flugzeugen würden solch einen öffentlichen Verkehr zum Erliegen bringen. Kontrollen dürfen auch nicht zu strikt sein, sie dürfen sich auch nicht auf "die üblichen Verdächtigen" konzentrieren: orientalisch aussehende Fahrgäste. Das wäre ein verhängnisvoller Fehler, denn solch eine Politik würde das Zusammenleben in multikulturellen Gesellschaften wie Großbritannien und den USA gefährden, sie wären endgültig ein Sieg der Terroristen.

Sie können den Kampf nicht gewinnen

Diese Terroristen nämlich können zwar Unschuldige töten, sie können diesen Kampf aber nicht gewinnen, solange wir an unseren Grundsätzen und unseren Werten festhalten und uns durch die Gewalt nicht davon abbringen lassen. Erst wenn wir dem Kampf gegen den Terrorismus unsere eigenen Werte opfern - für deren Verwirklichung Europa und die USA Jahrhunderte gekämpft haben - erst dann werden wir den Kampf verlieren.

Ansätze zu dieser Entwicklung gibt es bereits - in Abu Ghreib, in Guantanamo oder in den geheimen Gefängnissen im Irak und Afghanistan. Aber es gibt auch Kräfte in der so genannten freien Welt, die dagegen auftreten und etwas dagegen unternehmen. Sie müssen unterstützt werden. Nicht nur in Europa und Amerika, auch in der muslimischen Welt. Denn sie setzen sich für Rechte und Freiheiten aller Menschen ein, gleich ihrer Religion oder Hautfarbe. Auch die Terroristen differenzieren nicht. Mit dem deutlichen Unterschied freilich, dass Leichen nun einmal nicht differenziert werden können.