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Noch einmal davon gekommen

Barbara Wesel Kommentarbild App *PROVISORISCH*
Barbara Wesel
14. Dezember 2015

In Frankreich haben Wahlbündnisse der bürgerlichen Parteien den Wahlerfolg für den rechtsextremen Front National wieder einmal verhindert. Diese Übung kann nicht mehr beliebig wiederholt werden, meint Barbara Wesel.

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Nicolas Sarkozy (Foto: Reuters)
Nicolas Sarkozy und seine konservative Partei waren auf die Hilfe der Sozialisten angewiesenBild: Reuters/E.Feferberg

Siege sehen anders aus. Auch wenn das alte Rezept wieder einmal geholfen hat durch Bündnisse zwischen Sozialisten und Konservativen Wahlsiege für den Front National zu verhindern. In deren beiden Hochburgen im Norden und im Süden Frankreichs waren in der Stichwahl konservative Kandidaten erfolgreich. Sie konnten Marine und Marion Le Pen einen sicher geglaubten Wahlsieg abnehmen. Zu Recht haben beide Gewinner bescheiden und vorsichtig reagiert.

Die bürgerlichen Parteien haben kein Konzept

Auch im zweiten Wahlgang erzielten die beiden populären FN-Kandidatinnen nämlich über 40 Prozent. Nur die Besonderheit des französischen Wahlrechts, das in einer Stichwahl solche Bündnisse gegen einen gemeinsamen politischen Gegner möglich macht, hat ihren Triumph verhindert. Bloß ist das auf die Dauer kein politisches Konzept. Seit dem Duell zwischen Jean-Marie Le Pen und Jaques Chirac bei der Präsidentschaftswahl 2002 hat seine Tochter die Partei scheinbar entdämonisiert und ihr zu einem kontinuierlichen Aufstieg verholfen. Nach dieser Regionalwahl ist klar, dass in Frankreich ein Drei-Parteien-System entstanden ist. Und Sozialisten wie Konservative betrachten den Erfolg der Le-Pen-Sippe nach wie vor so schock-starr wie Kaninchen die Schlange. Steht auf und kämpft endlich, möchte man ihnen zurufen. Denn der Front Nation ist erkennbar keine politische Eintagsfliege.

Barbara Wesel (Foto: DW)
Barbara Wesel, Korrespondentin im DW-Studio BrüsselBild: DW/G. Matthes

Politikverdrossenheit und Entfremdung

Der Erfolg der Rechtsextremen basiert auf einem hemmungslosen Populismus. Auch verstehen sie es meisterhaft, an die Gefühle der einfachen Leute in der französischen Provinz zu appellieren. Die fühlen sich von der Pariser Machtelite abgeschrieben und nicht gehört. Und sie haben damit Recht. Mehr noch: Die Absolventen der Eliteschulen, aus denen sich die Funktionäre der Alt-Parteien rekrutieren, schauen auf das Volk da draußen herab. Und der dysfunktionale Zentralismus in Frankreich verstärkt noch den Effekt der Entfremdung zwischen den Regierenden und ihren Bürgern.

Das ist der Boden, auf dem der Front National gedeiht. Dessen Erfolg hat nicht nur mit Arbeitslosigkeit zu tun, sondern mit dem Gefühl abgehängt zu sein und ohne Stimme. Außerdem ziehen die Rechtsextremen besonders die ökonomischen und kulturellen Modernisierungsverlierer an, ein Phänomen das auch anderswo in Europa zu beobachten ist. Und weil das Land sozial tief gespalten ist, finden die Slogans von Nation und Identität und "Frankreich den Franzosen" bei denen Gehör, die sich vermeintlich von Außen und von Anderen bedroht fühlen.

Der Kampf gegen den Front National ist unausweichlich

Es ist höchste Zeit dass die bürgerlichen Parteien endlich ihr Raumschiff Paris verlassen und den frustrierten Bürgern auf dem Land und in den Kleinstädten Frankreichs einmal zuhören. Und sie müssen gleichzeitig die ideologische Auseinandersetzung mit dem Front National aufnehmen. Man kann über seine Demagogen nicht einfach nur angeekelt hinwegsehen. Das schlimmste ist dabei der Versuch des Präsidentschaftskandidaten in spe Nicolas Sarkozy, die Rechtsextremen rechts zu überholen. So etwas hat noch nie geklappt, warum sollten die Wähler für die Kopie stimmen, wenn es doch das Original gibt.

Stattdessen gilt für Konservative wie Sozialisten, dass sie die fremdenfeindliche, anti-europäische, nationalistische Ideologie der FN angreifen und sich damit auseinandersetzen müssen. Bei dieser Regionalwahl ist Frankreich noch einmal knapp davon gekommen. Der Traum vom Elyséepalast ist für Marine Le Pen vorerst wieder in die Ferne gerückt. Aber an der Basis ist ihre Partei stark. Grund genug der französischen Politik einmal mehr zuzurufen: Wehret den Anfängen.

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